: Geburtsdoping erfunden
■ Harte Bandagen bei den Handball-Halbfinal-Play-Offs
Hamburg (dpa/taz) — Beim ersten Gang des Play-off-Halbfinales um die Deutsche Meisterschaft servierten die Teams am Mittwoch den Handball-Fans mit Spannung und Dramatik gewürzten Sport. TuSEM Essen verschluckte sich beim 20:17 beinahe an der SG Leutershausen, die SG Wallau-Massenheim vernaschte trotz Verletzungsmisere den THW Kiel mit 21:20. Bereits am Sonntag können Nord-Meister Essen und Süd-Meister Wallau mit Auswärtssiegen die Final-Paarungen klarmachen. Tatsächlich erwies sich der Heim-Vorteil in der Play-off-Runde bisher überwiegend als Nachteil.
Der TuSEM vertrage keine Badener“, hatte Leutershausens Trainer Jürgen Hahn vor der Partie in der Essener Grugahalle gehofft und auf die Schwierigkeiten der Ruhr- Mannschaft im Viertelfinale verwiesen, wo sie sich gegen die Südbadener vom TuS Schutterwald reichlich schwer taten. Auch an den Nordbadenern hatten die Essener lange zu beißen. „Die SG Leutershausen spielte so stark, wie ich es erwartet hatte. Wir blieben sehr verkrampft. Im Angriff waren wir zu ungeduldig. Das zweite Spiel steht allerdings unter anderen Vorzeichen. Jetzt ist Leutershausen unter Druck“, meinte TuSEM-Sportchef Petre Ivanescu.
Coach Hahn bemüht sich indes um Optimismus: „In spielerischer Hinsicht waren wir gleichwertig, und im taktischen Bereich haben wir fast alles umgesetzt. Bisher haben wir noch immer aus unseren Fehlern gelernt.“ Daß es nicht wieder zu einer Heim-Pleite wie gegen Schutterwald kam, hatte Essen seinen Stars Jochen Fraatz (9 Tore) und Alexander Tutschkin (5) sowie „Not“-Torwart Ralf Schneider zu verdanken. Der 31jährige Krankengymnast stärkt nach den Verletzungen von Stefan Hecker und Bernd Ebner seiner Mannschaft den Rücken.
In der zweiten Play-off-Begegnung fiel besonders der Wallauer Mikael Kaellmann auf: Völlig euphorisch wegen der nächtlichen Geburt seines Kindes spielte er gegen den THW Kiel selbst wie neu geboren — Ein klarer Fall von Geburtsdoping. Mit elf Toren besiegte der Finne die Norddeutschen fast allein und versetzte Anhänger, Spieler und Manager in helle Freude. „Am Sonntag in Kiel machen wir den Sack zu“, sprach Wallaus Chef Bodo Ströhmann. THW- Trainer Holger Oertel hält dagegen: „Ich freu mich schon auf das dritte Spiel.“ Um das zu erreichen, muß der Zweite der Bundesliga- Nord sich aber erheblich steigern und vor allem die Schwäche bei Strafwürfen ablegen. Symptomatisch, daß Blatter 26 Sekunden vor dem Abpfiff mit dem vierten vergebenen Siebenmeter die Chance zum Ausgleich nicht nutzte.
Ob Wallau noch lange zu solchen Kraftakten wie am Mittwoch fähig ist, bleibt fraglich. Die Verletztenliste der Hessen ist lang: Beuchler, Schwalb, Kaufmann und Scholz fehlen. Rückraumschütze Schoene spielt seit Wochen mit einem Leistenbruch. Etwas Luft soll nun die Verpflichtung des ehemaligen Nationalspielers Wolfgang Kubitzki schaffen, der zuletzt beim Regionalligisten SUS Oberraden spielte.
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