: Botschaft in Libyen von Demonstranten in Brand gesteckt
New York/Kairo (dpa/afp/taz) — Mit zum Teil gewalttätigen Demonstrationen reagierte die libysche Bevölkerung auf den Sanktionsbeschluß des UN-Sicherheitsrates vom Dienstag. Dabei soll die Botschaft Venezuelas in Brand gesteckt worden und bis auf die Grundmauern niedergebrannt sein. Das berichtete der österreichische Botschafter per Telefon aus Tripolis. Ein Versuch der Demonstranten, die diplomatische Vertretung Frankreichs zu stürmen, soll gescheitert sein. Die Demonstrationen richteten sich offenbar gezielt gegen die zehn Länder, deren Vertreter im Sicherheitsrat der Resolution zustimmten. Auch in anderen libyschen Städten soll es zu Demonstrationen gekommen sein.
Der UN-Sicherheitsrat will mit der Resolution die libysche Führung zur Auslieferung der beiden angeblichen Lockerbie-Attentäter zwingen. Die beiden libyschen Geheimdienstler werden vom CIA bezichtigt, für das Attentat auf einen PanAm-Jumbo im Jahr 1988 verantwortlich zu sein. Desweiteren wird Libyen beschuldigt, auch hinter einem Anschlag auf ein französisches Linienflugzeug im Jahr 1989 über Niger zu stecken. Bei beiden Attentaten kamen insgesamt 440 Menschen ums Leben. Wenn die libysche Führung bis zum 15. April nicht nachgibt, tritt an dem Tag automatisch ein Luftfahrts- und Militärembargo gegen das Land in Kraft.
UN-Generalsekretär Butros Ghali hatte vor den Demonstrationen geplant, einen Sonderbeauftragten nach Tripolis schicken, um die libysche Führung zur Auslieferung der beiden angeblichen Lockerbie-Attentäter zu bewegen. Diplomaten bei der UNO in New York teilten gestern vormittag mit, daß der stellvertretende UN-Generalsekretär Wladimir Petrowski in die libysche Hauptstadt reisen solle. Ghali selbst wollte heute mit dem libyschen UNO-Botschafter über die Angelegenheit verhandeln.
Der libysche Staatschef Muammar el-Gaddafi hatte am Mittwoch, gedroht, sein Land werde kein Erdöl mehr an Staaten liefern, die sich dem Boykott anschließen. Ein solcher Schritt, der freilich auch die libysche Wirtschaft schwer schädigen würden, träfe vor allem die Bundesrepublik und Italien. Deutschland bezieht täglich 225.000 Barrel Öl (rund 66 Millionen Liter) aus dem nordafrikanischen Land und steht damit hinter Italien (440.000 Barrel) auf Platz zwei der libyschen Kundenliste. Offenbar als Reaktion auf Gaddafis Drohung stiegen auf den internationalen Märkten gestern die Ölpreise deutlich an.
Unklar ist zur Zeit, wie das Embargo gegen Libyen durchgesetzt werden soll. Das Kapitel, der UN- Charta, auf die sich die Resolution des Sicherheitsrates bezieht, erlaubt dazu militärische Gewalt. Libyens Nachbarn, Tunesien und Ägypten, die stark vom Handel mit Tripolis abhängig sind, erklärten bereits, sie würden ihre Grenzen zu Libyen offen halten. Wie die meisten arabischen Regierungen stehen sie den Sanktionen ablehnend gegenüber.
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