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Nepalese soll Tschnetnik entwaffnen

Die ersten Kontingente der UNO-Friedenstruppen sind in Kroatien eingetroffen/ Tiefe Skepsis, ob sie ihrem Auftrag wirklich gerecht werden können und die verfeindeten Gruppen auseinanderhalten  ■ Aus Daruvar Erich Rathfelder

Im gleißenden Sonnenlicht des Vorfrühlingstags bietet sich für die Menschen des kleinen Provinzstädtchens Daruvar ein noch ungewohntes Bild. Aus einem weißen Jeep steigen einige Uniformierte aus. Offiziere aus Nepal, Argentinien und Kanada besehen sich die Spuren der vergangenen Kämpfe. Das ausgebrannte Haus inmitten des Städtchens, die durch Granateinschlag aufgelöste Jugendstilfassade des alten Hotels, die notdürftig reparierten Fenster an den modernen Wohnblocks gegenüber. Doch auch hier, in Westslawonien, der Region der über ein Dutzend Sprachen und Kulturen im Zentrum eines multikulturellen Gebiets, in der über Jahrhunderte Kroaten und Serben, Tschechen, Ungarn und Slowaken, Bulgaren, Rumänen, Deutsche und Juden, Italiener und Ukrainer (zumeist friedlich) zusammenlebten, erregen die fremdländischen Menschen Aufsehen.

Und als die schwarze Verbindungsoffizierin aus Kanada aus dem Auto steigt, zeigen die verstohlenen Blicke der umstehenden Jugendlichen an, daß mit dem Einsatz der UN-Soldaten die Menschen der Provinzstadt den neuen internationalen Flair erst einmal verkraften müssen. Schließlich wurde hier in der Stadt im August und Dezember letzten Jahres zwischen Serben und Kroaten ein erbitterter Krieg geführt.

Im Hauptqaurtier der UNPROFOR (so nennt sich die Einsatztruppe der UNO in Jugoslawien), einem Hotelkomplex im typisch jugoslawischen Stil, jener Mischung aus origineller Modernität und Tristheit des realen Sozialismus, werden die Einlaßkontrollen durch kroatische Soldaten abgewickelt. Denn auch die haben sich in dem weitläufigen Gelände einquartiert, nachdem die Kämpfe mit den serbischen Freischärlern in dieser Reigon abgeflaut waren. Mißtrauisch beäugen sie das muntere Treiben, das hinter ihnen sichtbar wird. Argentinier, Kanadier, Jordanier und Nepalesen haben es sich an der Bar in der riesigen Eingangshalle gemütlich gemacht. Vier Bataillone zu je 900 Mann werden hier in der Region stationiert werden. Zusammengenommen sind 14.000 UN-Soldaten aus 29 Nationen auf dem Weg in das ehemalige Jugoslawien.

„Wir sind erst eine Vorhut“, erklärt der argentinische Offizier William Quintana, der mit UN-Einsätzen schon einige Erfahrungen gesammelt hat. Er war auch bei der Truppe, die im irakisch-iranischen Krieg vergeblich bemüht war, einen zeitweiligen Waffenstillstand zu sichern. Und mit Schmunzeln merkt er an, daß Colonel Slavo Jović, ein Offizier der jugoslawischen Bundesarmee, damals sein Vorgesetzter war. „Jetzt steht er auf der anderen Seite.“ Sein Bataillon werde in diesen Tagen mit allem militärischen Gerät per Schiff Argentinien verlassen und Kurs auf den montenegrinischen Hafen Bar nehmen. „Eine etwas unglückliche Entscheidung“, merkt er an, denn von dort müßten die 900 Mann und die gesamte Ausrüstung, zu der auch Panzer und Artillerie gehörten, per Bahn nach Belgrad und von dort nach Westslawonien transportiert werden. „Einfacher wäre die Landung im kroatischen Hafen Rijeka gewesen.“ Dort landeten aber Franzosen und andere Europäer.

Doch die „Logistik“ ist wohl das kleinere der zu lösenden Probleme. Wenn die Soldaten hier in Daruvar versammelt sind, beginnt erst die eigentliche Nagelprobe auf den Sinn der UNO-Aktion. Denn dann müssen die Truppen in die von serbischen Freischärlern und der jugoslawischen Armee gehaltenen Gebiete in Kroatien einrücken. Ihr Auftrag wird dann sein, die Freischärler zum Rückzug zu bewegen oder zu entwaffnen. Nach dem bisherigen Plan für Westslawonien werden die Kanadier und Argentinier in der Etappe bleiben, Jordanier und Nepalesen an die „Front“ geschickt. „Und das möchte ich mal sehen, ob sich ein serbischer Tschetnik von einem Nepalesen oder Jordanier entwaffnen läßt“, merkt ein kroatischer Journalist etwas zynisch an. Zudem glaubten viele Flüchtlinge, daß mit den UNO- Truppen der Frieden einkehren werde. „Sie wollen nun zurück in ihre Häuser. Kroaten in die besetzten Gebiete und Serben zurück nach hier.“

„Wir sind reine peace-keeping forces“, wehrt Major López, ein anderer argentinischer Offizier, ab, „wir können den Frieden nicht herbeizaubern, der Waffenstillstand und die politische Lösung des Konflikts müssen durch die Politiker und die internationalen Gremien ausgehandelt werden.“ Wie die UN-Soldaten reagieren sollten, wenn vor ihren Augen eine Schießerei oder ein Mord an zurückgekehrten Flüchtlingen geschehe, wisse er nicht. „Das ist Aufgabe der gemischten Poizeipatrouillen.“ Mit dem Hinweis, daß er der Presse nichts verraten dürfe, gibt Supi Herholz, der schwedische Kommandeur der UNO-Polizeitruppen der Region, schließlich doch an, daß zusammen mit den Polizeitruppen der jeweiligen Gebiete gemischte Patrouillen geschaffen werden sollten. Ob damit der kroatischen Forderung, die „Souveränität des kroatischen Staates in den besetzten Gebieten“ wiederherzustellen, Genüge getan sei, möchte er weder bestätigen noch abstreiten. Alles sei sehr komplex, es gebe noch kein schlüssiges Konzept, man müsse dann eben sehen, wie man von Fall zu Fall reagiere, gibt er zu Protokoll.

„Die Serben müssen aus den besetzten Gebieten verschwinden“, sagt die Verkäuferin in einem Schuhgeschäft an der Hauptstraße, das über und über mit kroatischen Flaggen geschmückt ist. Sie ist Mitglied der kroatischen Regierungspartei HDZ. Stolz holt sie ihren Parteiausweis hervor. „Noch vor kurzer Zeit durfte ich niemanden wissen lassen, daß ich zu dieser Partei gehöre. Die Kommunisten haben hier in der Stadt bei den Wahlen 1990 unsere Kandidatur verhindert. Und die Kommunisten wurden von den Serben beherrscht.“ Viele Drohungen hätte es damals gegen sie gegeben. „Die gesamte Führung der Stadt, die Polizei, das Gericht, die Verwaltung waren in serbischer Hand. Aber diese Zeiten sind jetzt vorbei“, lächelt sie. 10.000 Serben gab es damals in dem 30.000-Seelen-Ort, nur rund 3.000 seien vor dem Angriff im August letzten Jahres in der Stadt geblieben und hätten somit den kroatischen Staat akzeptiert. Diese Serben könnten auch weiter hier leben. Die „anderen wollen wir hier aber nicht mehr sehen“.

Der Haß bleibt

Ganz so rigoros will der Besitzer eines Holzgeschäfts die Dinge nicht sehen. „Wissen Sie, ich bin Tscheche, da sieht man die Fehler beider Seiten.“ Die Tschechen sind mit 18 Prozent die drittgrößte Nation hier am Ort nach den Kroaten (34) und Serben (33). Doch ein Zusammenleben wie früher werde es wohl kaum mehr geben. Immerhin hätten einige Serben auf seiten der Kroaten gekämpft, der Polizeichef sei immer noch Serbe. Mit den UNO-Truppen käme endlich wieder Geld und Beruhigung in die Stadt. Ein junger Mann, der vor dem Geschäft stehenbleibt, gibt an, er habe sich im Vorjahr freiwillig zur kroatischen Armee gemeldet. Er möchte jetzt endlich Frieden machen. „Doch mich schmerzt, daß viele Schulkameraden auf der anderen Seite kämpfen.“ Er werde sie wohl in Zukunft nicht mehr grüßen können. Sein Freund, der einen James-Dean-Aufnäher auf seiner Jacke trägt, deutet dagegen mit der Handkante an seinen Hals. „Die kommen nicht mehr wieder.“ In der letzten Woche wurden drei serbische Häuser in die Luft gesprengt.

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