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Sexuell überlagertes Badmintonspiel

Die Diskussion um die Aufnahme schwuler und lesbischer Klubs in den organisierten Sport kann offenbar nicht sachlich geführt werden: völlige Verklemmtheit oder weltpolitischer Rundumschlag  ■ Von Michaela Schießl

Berlin (taz) — Sex ist im Sauberland Sport kein Thema, außer man macht es dazu. Wie etwa der seit 1986 bestehende Berliner Klub „Vorspiel Schwuler Sportverein“ und das lesbische Pendant „Seitenwechsel“. Beide Vereine begehren Aufnahme in Berliner Fachverbände, um am Wettkampfbetrieb teilnehmen zu können. Ein notwendiger Schritt, denn die Sportverbände halten zusätzlich zur Wettkampfzulassung auch das Monopol über die Ausschüttung der Sportförderungs-Gelder in der mächtigen Hand.

Doch das Ansinnen der Homoklubs gestaltet sich schwierig. Der Grund: Heftige Berührungsängste. Beim gemeinsamen Duschen etwa sah der Berliner Sportklub e.V. seine Jugendlichen schwer gefährdet und appellierte an den Leichtathletik-Verband, kein „Vorspiel“ zuzulassen. Das Nachspiel vor dem Landgericht fiel ähnlich verklemmt aus: Die leichten Athleten dürfen ihre Hürden schwulenfrei halten, weil: die Namen „Vorspiel“ und „Schwuler Sportverein“ riefen „unsachliche Emotionen hervor, die bereits als solche das Vereinsleben zu beeinträchtigen in der Lage sind“. Es würde wahrscheinlich zu einer „andauernden Beeinträchtigung der Vereinsmitglieder durch Störung des Vereinsfriedens“ kommen. Der Name deute in provozierender Art auf eine Veranlagung hin, die mit dem Sport nichts zu tun habe, weshalb der Verband nicht zur Aufnahme verpflichtet sei.

Trotz dieses entmutigenden Urteils — die Revision läuft — bewarben sich die Schwulen zum Schreck der Fachverbände munter weiter um Aufnahme, so bei den Turnern, den Badmintonspielern und, oh weh, beim Männersport Nummer eins, dem Fußball. Die Turner stellen sich seit Antragseingang einfach tot. Die Fußballer hingegen üben das Verwirrspiel. Wahrscheinlich sind sie wirklich verwirrt ob des dreisten Ansinnens. Denn obgleich sich gerade beim Fußball die Buben nach gelungenem Torschuß herzlich küssen, bespringen und übereinander auf den Rasen werfen, will man mit der dazugehörigen Veranlagung nun wirklich nichts zu tun haben. So beteuert der Berliner Geschäftsführer Reiner Gentz, niemals etwas von einem Schwulensportklub „Vorspiel“ gehört zu haben. Päsident Otto Höhne bestätigt fünf Minuten später, daß eine Anfrage vorliege, wie ihm sein Geschäftsführer vor geraumer Zeit mitgeteilt hatte. Erst der Freizeitsportbeauftragte Wolfgang Ludwig bestätigt den Antrag.

Ein wenig Ratio in die emotionale Namensdebatte zu bringen, schien dringend geboten. So lud Stefan Reiß von der Berliner Senatsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensformen zum klärenden Gespräch. Herr Riedel, erster Präsident des Berliner Arbeitsgerichts und Chef des Badmintonverbandes, legte sogleich los. Der Name sei eine Provokation, weil er ausschließlich sexualorientierten Charakter habe. Dies löse furchtbare Pein aus bei seinen Mitgliedern. Man fürchte, so gestand Riedel, eine „sexuelle Überlagerung“ des Badmintonspiels. Wie dies im Detail aussehen könnte, blieb er dem sensationslüsternen Auditorium leider schuldig. Schon fragten sich die ersten erheitert, wie es wohl beim heterosexuell überlagerten Mixed zugehe, da sprang Fußballerfunktionär Schulz ein: Auch sein Verband tue sich schwer, einen „derartigen“ Verein aufzunehmen, dessen Name wirklich nicht sportüblich sei.

Belustigt gelobten die Schwulen durch ihren Vorstand Andreas Voß, wirklich zum Sporttreiben zu kommen und nicht etwa, um kleine Jungs anzufummeln. Zudem weisen sie, die schwulen Mitglieder und die lesbischen Mitfrauen, es entschieden zurück, auf Sexualität reduziert zu werden. Die Ängste seien irrational und unbegründet. Sporttreibende Schwule und Lesben gäbe es nun einmal, daran ändere auch ein Tarnname nichts. „Trotzdem, wenn die kommen, gehts am Spielfeldrand los mit den sexuellen Diskussionen“, glaubt Riedel.

Da platzte dem fülligen Präsidenten des Volleyballverbandes der ohnehin zu enge Kragen. Und plötzlich entpuppte sich das, was als lokale Aussprache geplant war, zu einer Angelegenheit weltpolitischen Ausmaßes. Kein Zweifel, Hanns-Ekkehard Plöger, dessen Volleyballer „Vorspiel“ ohne Murren bereits vor Jahren aufgenommen hatten, war an diesem Abend gewaltig zumute. „Wie schon Rudi Dutschke sagte, muß man provozieren, um wahrgenommen zu werden“, begann der gealterte 68er sein Plädoyer und beschimpfte Riedel als konservativen Rechtspfleger. Schon im Dritten Reich hätten die Deutschen nie aufgemuckt. Immer auf dem Namen rumzuhacken, sei ein Zeichen von innerer Verklemmung. Deshalb müsse „Vorspiel“ in diesem Fall einschlagen, so wirkungsvoll wie einst der sowjetische Panzer T64.

Prager Frühling im Berliner Sport? Für Schulz und Riedel war es eher die Angst vor etwaigen Frühlingsgefühlen der Schwulen und Lesben, die Plöger völlig unverständlich findet: Apartheid sei das, was die Verbände da abziehen! Jawoll, gefühlsmäßige Apartheid! Und das, wo doch der Landessportchef Berlins, Manfred von Richthofen, selbst homosexuell veranlagt sei. Und sich nicht traue, dies zuzugeben!

Helle Aufregung befiel die Gesprächsrunde, und selbst die Schwulen befanden, daß dies nicht der richtige Ort zum Outing sei. Doch Plöger war nicht zu bremsen: „Das weiß doch ganz Berlin“, prustete er los und holte zum weiteren weltpolitischen Rundumschlag aus, als Gleichsteller Reiß die Debatte überstürzt beendete. Er sei sicher, man sei sich nähergekommen, flüsterte er sichtlich geschockt. Kein Zweifel. Diese Diskussion brachte Licht ins Dunkle der Funktionärsseelen: Die einen verklemmt, die anderen profilneurotisch. Bleibt nur zu hoffen, daß es der Sache dient. Also, „Vorspiel“ und „Seitenwechsel“, denkt an die Kraft der Panzer und eure weltpolitische Aufgabe. Rein in den Verband!

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