500 Milliarden Mark für den Stau

Der Entwurf für den Bundesverkehrswegeplan liegt jetzt bei den Länderministerien/ Krause plant Investitionen von 500 Milliarden bis zum Jahr 2010/ 1.700 zusätzliche Kilometer Autobahn  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) — 500 Milliarden Mark will Verkehrsminister Krause gerne bis zum Jahr 2010 für Asphalt und Schienen ausgeben, davon ein Drittel in den neuen Ländern. Gestern lag bei seinen Länder-Amtskollegen der Entwurf für den Bundesverkehrswegeplan im Postfach. Krause behauptet, daß seine Politik „eine entscheidende Wende“ darstellt, weil er erstmals der Schiene den Vorrang vor dem Straßenbau einräumt; sein Eigenlob aber ist eine Mogelpackung.

Krauses Ministerialen haben für Investitionen in Höhe von 222 Milliarden Mark „vordringlichen Bedarf“ vorgeschlagen — 108 Milliarden sollen auf das Konto von Bundes- und Reichsbahn überwiesen werden, 99 Milliarden in den Straßenbau und 15 Milliarden für Wasserstraßen ausgegeben werden. Doch die Rechnung ist schief: Während weniger als 10 Prozent der Straßen Bundesstraßen sind und damit aus Bonn finanziert werden, wird die Bahn fast vollständig aus dem Bundeshaushalt finanziert.

Schwerpunkt im Schienenverkehr ist in Krauses Entwurf der Ausbau des Hochgeschwindigkeitsnetzes: auf 3.200 Kilometer will er es ausweiten. Und das, obwohl 80 Prozent der Bahnreisen im Nahverkehrsbereich stattfinden. „Hochgeschwindigkeit kommt erstens nur wenigen zugute — und denen auch nur bedingt“, so Verkehrsexperte Karl Otto Schallaböck vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt, Energie. Entscheidend sei nicht Spitzen-, sondern die Reisegeschwindigkeit — und dazu gehört eben auch der Anfahrtsweg zum Bahnhof und die Wartezeit auf den Anschluß. „Eine bessere Verknüpfung hätte einen ähnlichen Zeiteffekt für die Benutzer der schnellen Züge, wäre mit geringerem Aufwand zu schaffen und käme mehr Menschen zugute.“

Krauses Lieblingsprojekt Transrapid steht ebenfalls im Entwurf. Obwohl die Testergebnisse der Magnetschwebebahn keineswegs überzeugend sind, und selbst Thyssen einräumt, daß die Stelzenbahn bei einer Höchstgeschwindigkeit von 400 Stundenkilometern fast so laut wie ein Tiefflieger ist, soll eine erste Strecke zwischen Berlin und Hamburg konkret geplant werden. Die geschätzten 8,2 Milliarden Mark Kosten sollen offiziell privat finanziert werden; bisher hat aber vor allem das Forschungsministerium die Gelder für die Entwicklung aufgebracht.

Trotz der pflichtschuldigen Erwähnung der „für das Weltklima bedrohlichen Zunahme des CO-2 Ausstoßes“ geht Krause von einem fast ungebremst wachsenden Bedarf an Verkehrskapazität aus. Allein im Güterverkehr prognostiziert er Steigerungsraten von 95 Prozent auf der Straße und 55 Prozent auf der Schiene bis zum Jahr 2010. Jüngst im Bundestag wurde dann deutlich, wie er sich die geforderte Reduzierung des Kohlendioxydausstoßes vorstellt: „Nach Schätzungen von Umweltexperten werden allein durch Staus auf unseren Straßen 25 Prozent mehr Schadstoffe erzeugt.“ Als völligen „Stumpfsinn“ wertet Experte Schallaböck diese Aussage, zumal der Minister seine Quellen nicht offenlegt. Krause glaubt, den Staus durch mehr Straßen beizukommen— wider besseres Wissen. Denn eine Studie des Umwelt- und Prognoseinstituts in Heidelberg zeigt auf, daß das Straßennetz zehnmal so schnell wachsen müßte, wenn man das Stauniveau in den alten Bundesländern halten wollte.

Als Schwerpunkte im Straßenbau schlägt der Verkehrsminister eine Erweiterung des Autobahnnetzes um 1.700 auf 13.000 Kilometer und den Bau von Ortsumgehungen vor. „Da gibt es auch durchaus sinnvolle Projekte“, schätzt Schallaböck ein. Aber auch hier gilt: wo der Verkehr schneller wird, nimmt er auch zu. Untersuchungen hätten gezeigt, daß viele Ortsumgehungen nicht in erster Linie Durchgangsverkehr aufnehmen, sondern aus den Dörfern und Städten selbst kämen.

Jetzt müssen die Länderverkehrsminister Stellung nehmen. Einen Konflikt mit NRW und Hessen hat Krause bereits umschifft: Die von beiden Ländern abgelehnte Autobahn A4 durchs Rothaargebirge taucht zwar im Plan auf, wurde aber als nachrangig eingestuft.