: »Kost the Ost« statt »Test the West«
■ Club-Cola — Der einstige Renner des sozialistischen Limonadenmarkts meldet sich auf den freien Markt zurück
Hurra, ich lebe noch!« heißt es auf großen Plakatwänden, zum Beispiel am Alex; mit großflächigen Anzeigen meldet sich so die gute, alte Club Cola auf den Markt zurück. Direkt nebenan, in der Lebensmittelabteilung des Kaufhof-Warenhauses, sucht man jedoch die wiederauferstandene Cola vergeblich. Zwischen Pepsi, Coca- und Sinalco-Cola ist kein Platz mehr frei für die Ost-Cola. Wie viele DDR- Produkte war auch sie eines Tages einfach aus den Regalen verschwunden. Zu groß war die Westkonkurrenz. Doch in den letzten Monaten scheint sich der Trend umzukehren, eine Renaissance altbekannter Ostprodukte zeichnet sich ab. Die Hersteller setzen dabei ganz bewußt auf den bereits eingeführten Markennamen.
Indira-Gandhi-Straße 25, Weißensee, direkt neben dem jüdischen Friedhof. »Heimat der Club-Cola« müßte eigentlich über dem Tor stehen, tut es aber natürlich nicht. Schließlich sind wir in Berlin und nicht in Atlanta. In diesen Gebäuden schlug 1969 die Geburtsstunde der Ost-Cola. Der VEB Getränkekombinat Berlin bekam einen neuen Betrieb — »Spreequell« — und die DDR- Bürger ein neues Erfrischungsgetränk. »Die Club-Cola war sofort ein Renner«, erinnert sich Joachim Twachtmann, der seinerzeit bei der Gründung von Spreequell dabei war.
Cola und Sozialismus — Cola im Sozialismus, war das nicht damals ein Widerspruch? Wie und warum es zu der Entwicklung der DDR-eigenen Cola kam, wird wohl das vielleicht letzte Geheimnis der SED- Oberen bleiben. Schließlich durfte im Honecker-Staat nicht jeder Betrieb einfach herstellen, was er wollte. Die Entscheidung für Club- Cola muß also auf höherer Ebene, womöglich sogar auf höchster Ebene gefallen sein. Ganz nach dem Motto »Genossen, im Gampf gägn den Imberialismus brauchen wir unsere eigene Gola!«
Noch sind etwaige Ulbricht-Äußerungen zur Cola-Frage in den Akten verbuddelt, fest steht nur, daß es einen Beschluß des Wirtschaftsrates für den Bezirk Berlin gab, ein Cola- Erfrischungsgetränk auf den Markt zu bringen. Abgefüllt wurde streng nach Plan, und natürlich zunächst vor allem für die Hauptstadt. Lediglich die Überschüsse gingen in andere Bezirke. »Wir hätten noch viel mehr produzieren können«, erinnert sich Leonore Roßbacher, Leiterin der PR-Abteilung bei Spreequell.
Heute sieht das anders aus. Nach der Wende ging der Absatz von Club-Cola gewaltig zurück. Statt der zuletzt 1,3 Millionen Hektoliter flossen 1991 nur noch 450.000 Hektoliter Club-Cola aus dem Abfüllhahn. Schuld daran, so führt Frau Roßbacher aus, sei unter anderem der Kronenkorken gewesen, der damals noch jede Flasche krönte. Der war erstens unpraktisch und habe zweitens »für die alte DDR gestanden und wurde deshalb nicht mehr so gerne angenommen.«
Inzwischen ist Spreequell von einem westdeutschen Getränkekonzern übernommen worden, der erst die Büroräume und dann die Club- Cola renovieren ließ. Neue Flasche, neues Image, neues Glück. War die alte Club-Cola noch ganz niedlich mit ihrem kunterbunten Etikett und dem kindlichen Schriftzug, ist die neue Cola nun auf cool gestylt. Rot- Weiß-Grün sind ihre Farben, die Flasche ist nicht mehr sozialistisch-bodenständig, sondern modern-funktional, und endlich ist sie auch mit dem lang ersehnten Schraubverschluß gekrönt. Ganz im Trend der Zeit gibt es die Club-Cola jetzt auch in der Light-Version — »nur 1 kcal pro Glas« und neben dem neuen Personalcomputer hat Frau Roßbacher bereits den Prototyp der ganz neuen Generation stehen — die Club-Cola in der Dose!
Außen neu, ist drinnen doch noch fast alles beim Alten. Der Grundstoff für die Cola kommt nach wie vor aus Miltiz/Sachsen und wird in großen Plastikkanistern angeliefert. Das Rezept ist — wie bei allen Colas der Welt — streng geheim. Der klebrig- zähe, schwarz-braune Grundstoff wird mit Zuckerlösung und Wasser versetzt — fertig ist die Cola. Aus einem Kanister Sirup kann man auf diese Weise eine halbe Million Flaschen mixen.
Geschmacklich also alles wie gehabt? Natürlich nicht, beeilt sich PR- Frau Eleonore Roßbacher zu versichern. Man verwende jetzt Mineralwasser, nicht mehr einfaches Stadtwasser, und dadurch sei der Geschmack schon viel voller geworden, — wegen der Salze. So rühmt sich die neue Club-Cola dann auch vor allem ihrer nun geringeren Süße: »Natürlich frisch. Weniger süß. Aber mit viel Geschmack«: So wird seit Februar für die neue alte Club-Cola geworben. Von dieser Kampagne sollen vor allem diejenigen angesprochen werden, die das Limonadengetränk auch früher schon genossen haben. Deshalb wird ausschließlich im Osten geworben — auf Plakatwändnen und in ehemaligen DDR-Zeitungen.
Mit dieser Werbestrategie will man nicht gegen die Marktgiganten Coca und Pepsi »anschießen«, sondern peu à peu auf dem Heimatmarkt als Nischenprodukt wieder Terrain gewinnen. »Mit der Kampagne nehmen wir uns auch ein bißchen selbst auf die Schippe«, gibt Christine Krasel aus der Marketing-Abteilung zu. Da heißt es dann zum Beispiel: »New York? Atlanta? Berlin!« oder »Andere haben Sie lang genug probiert!« — Mit solchen Sprüchen hofft man, den Nerv der Power-from-the-Eastside-Generation zu treffen.
»Kost the Ost« statt »Test the West« ist also angesagt. Denn Ost- Produkte sind auf beiden Seiten der eingerissenen Mauer wieder in. Nicht nur Club-Cola, sondern auch Zigarettenmarken wie Cabinet, Karo und F6 setzen auf den Ost-Bonus. Und so heißt es jetzt ganz trendy auch für die Ost-Cola-Konsumenten back to the roots, nach dem Motto: »Mag die Treuhand uns auch alle Arbeitsplätze wegnehmen, wenigstens unsere Cola bleibt uns.« Na dann, Prost! Frauke Langguth
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