: Wechselnde Koalitionen
■ Starker Durchgangsverkehr nach dem Mauerfall: Der Bezirk hat die höchste Unfallrate aller Bezirke
Nomen est omen: Charlottenburg ist der einzige Bezirk, der den Namen einer Frau trägt. Bei einem Frühlingsausflug des Jahres 1694 gefiel Charlotte, der Ehegattin des preußischen Kurfürsten Friedrich III., die Gegend um das Dörfchen Lützow offenbar so gut, daß sie ihn zum Sitz ihrer Sommerresidenz auserkor. Das Schloß Charlottenburg wurde gebaut, Hofbeamte siedelten sich im neu entstehenden Ort an, der das Dorf Lützow aufsaugte. Später lockerten Sommerlokale, Biergärten, Hotels und Etablissements die gutbürgerliche Wohngegend auf, ab 1880 kam die Technische Hochschule hinzu. 1920 wurde die bis dato selbständige Stadt in Großberlin eingegliedert.
Inzwischen leben in dem insgesamt 2.033 Hektar großen Bezirk rund 178.000 Einwohner, die eindeutige Mehrheit davon Frauen. Gleichzeitig gibt es in Charlottenburg mehr als 140.000 Arbeitsplätze, vor allem in Dienstleistungsbetrieben und auch in den vielen Ausbildungsstätten. Charlottenburg hat insgesamt rund 22.000 Gewerbebetriebe, davon fast ein Viertel Gaststätten, Hotels und Pensionen — das sind mehr als in jedem anderen Bezirk. Das führt, nicht erst seit dem Mauerfall, zu einem starken Durchgangsverkehr mit üblen Folgen: Charlottenburg hat die höchste Unfallrate aller Bezirke.
Bei den letzten Wahlen errang die SPD mit 35,8 Prozent der Stimmen einen knappen Vorsprung vor der CDU mit 35,7 Prozent. Die AL erreichte stolze 16,6 Prozent, die Reps schon damals 6 Prozent, die FDP blieb draußen. Die SPD stellt seitdem die Bezirksbürgermeisterin. Da sie jedoch gleichviel Sitze wie die CDU hat und keine Koalition eingegangen ist, wird in der BVV mit wechselnden rot-grünen oder schwarzroten oder rotgrünschwarzen Mehrheiten abgestimmt. Die Rechtsextremen bleiben dabei außen vor und haben sich dank innerer Streitereien von ursprünglich drei auf einen Sitz plus zwei Fraktionslose reduziert. Man kann nur hoffen, daß sie sich nicht wieder vergrößern, zumal der CDU-Ortsverband Kurfürstendamm unbedingt die Dummheit der baden-württembergischen Union wiederholen will und auf Flugblättern mit der Rep-Parole »Das Boot ist voll« warb.
Neben der Bürgermeisterin stellt die SPD die Stadträte für Bauen und für Soziales, die CDU besetzt die Ressorts Wirtschaft und Finanzen, Jugend und Sport sowie Volksbildung und eine AL-Frau das Ressort Gesundheit und Umweltschutz. usche
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