: Elektromagnetische Wellen als tödliche Waffe
Das US-Militär entwickelt eine Mikrowellenpistole, die schwere körperliche Störungen und Herzstillstand verursacht/ Heidelberger Biophysiker beweist an Küken die Gefährlichkeit der E-Strahlung/ Bundespost darf geplanten Sendemast nicht bauen ■ Aus Heidelberg Heide Platen
Die Mikrowellenpistole ist keine Erfindung von Sience-fiction-Autoren. Amerikanische Forscher gehen davon aus, daß so eine Waffe vor allem beim „Low Intensity Conflict“, also im Bürger- und Guerillakrieg, eingesetzt werden könnte. Daß es sie praktisch schon gibt, zumindest als Prototyp, behaupten Wissenschaftler derzeit nur unterderhand. Sie gehört in den Bereich der „nichttödlichen Waffen“, an denen amerikanische Militärforscher seit Jahren herumlaborieren. Fachzeitschriften berichteten Anfang des Jahres, die Untersuchungen „auf dem Gebiet der Mikrowellenstrahlung“ seien am weitesten fortgeschritten. Es sei denkbar, so das U.S. Army Laboratory Command in Adelphi, Maryland, den potentiellen Gegner mit Mikrowellen außer Gefecht zu setzen, ohne ihn gleich umzubringen. Die Waffe könne physische und psychische Störungen, Sinnestäuschungen, Bewußtlosigkeit, Sehstörungen, Übelkeit und andere Beschwerden auslösen. Bei weiter Streuung könnten auch große Menschengruppen lahmgelegt werden.
Geringere Leistung als ein Mikrowellenherd
Die Mikrowellenpistole wäre, berichtet ein Techniker, dagegen die kleine Variante zum Einzeleinsatz. Sie kann mit geringerer Leistung betrieben werden als ein gewöhnlicher Mikrowellenherd. Da sie die Strahlung bündelt, kann sie, zielgerichtet eingesetzt, einen Herzstillstand erzeugen und wandelt sich damit im Grenzbereich der Definition zu einer tödlichen Waffe. Mikrowellen sind elektromagnetische Wellen von zirka einem Gigahertz und höher. Sie können, je nach Feldstärke, drei unterschiedliche biologische Wirkungen haben. Durch die „thermische Zerstörung der Zellen“ wird zum Beispiel das Brathähnchen im Mikrowellenherd gar. Bei geringerer Intensität beeinflussen sie das elektrobiologische Leitungssystem des Organismus, das durch Ionenladungen auf den Zellwänden gebildet wird, stören also nachhaltig die Zellkommunikation. Die Wirkung kann von Übelkeit und Desorientiertheit über Herzkammerflimmern bis zum Herzstillstand reichen. In der dritten bekannten Kategorie ist die noch geringere Feldstärke erfaßt. Sie führt langfristig bei dafür disponierten Personen, vor allem alten Menschen, Kindern und Schwangeren, zum „Elektrostreß“. Amerikanische Forscher hatten seit vielen Jahren auf erhöhte allgemeine Krankheits- und Krebsanfälligkeit bei Menschen hingewiesen, die an ihrem Arbeitsplatz häufig elektromagnetischen Feldern (EMF) ausgesetzt sind.
Die Erkenntnisse der Militärforscher und die Ergebnisse ihrer Experimente decken sich haargenau mit jenen, die der Biophysiker Dr. Andras Varga vom Hygienischen Institut in Heidelberg längst vorlegte, allerdings im zivilen Bereich. Diese seien, sagt Varga, vor allem von westlichen Kollegen lange heruntergespielt und belächelt worden. Seine letzte Versuchsanordnung ist so einfach wie genial. Er setzte insgesamt 1.620 befruchtete Hühnereier im Brutkasten Mikrowellen verschiedener Frequenzen und Intensitäten aus. Das Ergebnis: Küken mit verbogenen, verkrüppelten Beinen und deformierten Schnäbeln. Diese Schädigungen an den Hühnerembryos traten bei Leistungsdichten von 1,5 Milliwatt (mW) Strahlung pro Quadratzentimeter Fläche auf. Der gesetzliche Grenzwert liegt derzeit in der Bundesrepublik bei 2,5 mW. Varga: „Das ist tödlich. Das tötete alle meine Küken.“ Er hält schon Werte über 0,15 mW für bedenklich. Inzwischen werde aber mehr auf seine Erkenntnisse gehört: „Die Leute haben Ohren bekommen!“
Telekom in Verlegenheit
So stützte sich das Wiesbadener Verwaltungsgericht auf seine Ergebnisse, als es Anfang März mit einer einstweiligen Anordnung den Bau eines Sendemastes der Bundespost in Lorch vorläufig stoppte. Ein Anlieger aus dem Stadtteil Ransel hatte dagegen geklagt und mit der Unterstützung des gesamten Gemeinderates ein Gutachten von Varga vorgelegt, das auf die von ihm befürchtete Gesundheitsschädigung hinwies. Der Mann wohnt 90 Meter neben dem Mast und betreibt auf umliegenden Grundstücken Landwirtschaft und Hühnerhaltung. Das Wiesbadener Gericht sprach dem Mann zu, er habe ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Schäden durch Strahlen seien aber „nicht völlig ausgeschlossen“. Auch in Lüneburg war ein Betroffener erfolgreich. Dort entschied das Verwaltungsgericht ebenfalls gegen die Post.
Die Urteile bringen die Bundespost-Telekom und die private Wirtschaft in arge Verlegenheit. Der Ranseler Sendemast ist eine der über 3.000 Stationen für die zwei Mobilfunk-D-Netze, die zur Zeit von der Telekom und der Firma Mannesmann aufgebaut werden. Das sei, sagen Kenner, „ein Milliardenmarkt wie eine Goldgrube“. Die Masten für die neuen Netze sollen sowohl niedriger als auch dichter als herkömmliche Sendeanlagen gebaut werden. Sie strahlen an der unteren Frequenz- Grenze des schädlichen Mikrowellenbereichs. Varga empfiehlt für Masten dieser Art einen Abstand von drei Kilometern von Wohnsiedlungen. Der Darmstädter Regierungspräsident reagierte nach dem Urteil irritiert: „Dann kann ja gar nichts mehr gebaut werden.“ Währenddessen plant die Post schon ein weiteres Netz. Die Ausschreibung des E-Netzes, des Mobilfunks der nächsten Generation, steht unmittelbar bevor. Es arbeitet mit der doppelten Sendefrequenz. Der Abstand der Sendeanlagen soll zwischen wenigen 100 Metern und 20 Kilometern liegen.
Aber nicht nur die Sendemasten sind ins Gerede geraten, sondern auch die Mobilfunk-Geräte. Sie liegen mit 10 mW Strahlung pro Quadratzentimeter gleich viermal höher als der zulässige Grenzwert und sind selbst dem Bundesamt für Strahlenschutz suspekt. Es empfiehlt bei Telefonen mit intern eingebauten Sendern und Antennen einen guten halben Meter Abstand vom Kopf. Nach einer Meldung der Spezialzeitschrift 'Funkschau‘ vom 3. Apri möchte die Telekom sich wegen der für sie unsicher gewordenen Zukunft durchaus strengeren Richtlinien unterwerfen. Dies aber führe zum Konflikt mit internationalen Abmachungen, die die biologische Verträglichkeit elektromagnetischer Wellen bisher überhaupt nicht berücksichtigen. Europaweit zugelassene Funktelefone dürften in Deutschland dann nicht betrieben werden.
Die Diskussion um die elektromagnetische Strahlung ist, wie auch Andras Varga betont, eigentlich längst überfällig. Daß die westlichen Grenzwerte zu hoch seien, hatten Wissenschaftler aus der Sowjetunion schon Mitte der 60er Jahre behauptet. Dies rief damals einen empörten westlichen Protest hervor. Diese Erkenntnis hätte schließlich, aus welchem Interesse auch immer gewonnen, weitreichende Folgen für Militär, Geheimdienste und Elektrokonzerne gehabt. Die brisante Mischung unsichtbarer Strahlen, umstrittener Forschungsergebnisse, geheimdienstlicher und militärischer Interessen führte auch immer wieder in die Irre menschlicher Randphänomene. Strahlengeschädigte wurden als „Spinner“ behandelt. Daß es „Strahlensensibilisierte“ gibt, bestätigt allerdings auch Varga. Er berichtet von einer Frau, die das An- und Ausschalten einer Glühbirne von 500 Watt noch im Nebenzimmer, mit einer Wand dazwischen, deutlich wahrnehmen konnte. Die unterschiedliche Wirkung auf unterschiedliche Menschen erklärt er wie die „Wetterfühligkeit“. Varga: „Man muß von den Betroffenen ausgehen.“ Wer Schmerzen habe, an Migräne oder anderen Krankheiten leide, müsse endlich ernst genommen und geschützt werden.
„Wahre Strahlenkeulen“ gegen den Wald
Daß der rechte Vollwerternährungspapst, der Lahnsteiner Arzt Max Otto Bruker, in seinem Hausblatt 'Der Gesundheitsberater‘ die Mikrowellen für das Waldsterben verantwortlich machen läßt, ist ein anderes Kapitel. Wahr und erwiesen ist daran bisher nur, daß die riesigen Sendeanlagen der amerikanischen Armee, die bisher an der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze flächendeckend nach Osten peilten, für Experten „wahre Strahlenkeulen“ sind. Varga beschränkt sich auf machbare Forderungen. Er wolle, sagt er, ja gar nicht „jede Schreibmaschine und jeden Toaster abschaffen“. Nur: „Die Geräte müssen gesichert sein. Und vor allem keine Hochspannungstrassen und keine Sendemasten in bewohnten Gebieten.“ Demnächst wird er eine neue Untersuchungsreihe beginnen, in der er Hühnereier Mikrowellen wechselnder Frequenzen aussetzt. Diese Frequenzen sollen sich wie im normalen Alltag überschneiden und gleichzeitig stärker und schwächer werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen