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Kirchenreform durch Kirchensteuerentzug

Frankfurt (ap) — Der katholische Theologe Eugen Drewermann hat sich für die Abschaffung der Kirchensteuer ausgesprochen. In einem Zeitungsinterview sagte der abgesetzte Priester, die katholische Kirche würde vom dann zu erwartenden Zusammenbruch ihrer Finanzgrundlage zu der Reform gezwungen, zu der sie aus eigener Kraft nicht mehr fähig sei. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, wies die Kritik zurück. Der Tübinger Theologe Hans Küng forderte, daß die Kirchensteuer direkt an die örtlichen Kirchengemeinden gezahlt werden sollte.

Drewermann sagte der 'Berliner Morgenpost‘ (Sonntagsausgabe), eine Änderung der Steuerpraxis würde bewirken, daß „wir sofort eine andere Kirche hätten. Sie wäre viel agiler und würde den Menschen wieder ernst nehmen“. Die Katholische Kirche in Deutschland lebe im Schatten einer Sicherheit, die sie faul gemacht habe. Für drei Viertel ihrer Mitglieder rede sie von Amts wegen nur noch über Dinge, „die die Leute nicht mehr hören wollen, weil sie ihnen langweilig sind, nichtssagend, blödsinnig, abergläubisch, widerwärtig“, sagte Drewermann. Etwa achtzig Prozent der Katholiken gingen daher sonntags nicht mehr in die Kirche. Die Kirchensteuer müsse abgeschafft werden, weil der „real existierende Katholizismus“ noch auf zwei Ebenen getroffen werden könne: „Macht und Geld“.

Dagegen betonte Bischof Lehmann in einem Interview des Saarländischen Rundfunks, daß es bei der Kirchensteuer nicht um finanzielle Sicherheiten gehe, sondern „um sehr viele Dienste, die wir für viele Menschen, auch Nichtkatholiken, in diesem Land übernommen haben“. Drewermann warf er vor: „So kann eigentlich nur jemand reden, der von außen in alles hereinredet, aber in Wirklichkeit nicht weiß, wie es wirklich von innen her zugeht.“

Der Schweizer Theologe Küng sagte dem Kölner 'Express‘: „Wir wären einen Großteil der Probleme los, wenn die Kirchensteuer an die örtlichen Gemeinden geht und nicht an die Diözesen.“ Dieses System, das bereits mit gutem Erfolg in der Schweiz praktiziert werde, wäre überschaubarer. „Die Bürger können selbst beschließen, wie hoch die Kirchensteuer sein soll, und können nachprüfen, für welche Zwecke die Kirchensteuer verwendet wird.“ Der Bischof erhielte nur einen festgelegten Anteil.

Die neugewählte Hamburger Bischöfin Maria Jepsen sagte am Sonntag im Südwestfunk, ihre Wahl sähen auch viele Katholiken als Hoffnungszeichen. Beide christlichen Kirchen brauchten mehr Charismatiker wie Drewermann, um den Glauben direkt in den Alltag hineinzutragen. Drewermann habe wie kaum ein anderer Theologe Ängste und Hoffnungen vieler Gläubiger deutlich gemacht, die in der Kirche so gar nicht mehr erkannt würden, sagte die lutherische Bischöfin.

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