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Bildnis eines Taxifahrers

■ Vorpremiere des Taxikrimis »Salmiak Noir« im Filmkunsthaus Babylon

Niemand möchte unvergessen enden, auch Taxifahrer nicht. Joachim Lünenschloß saß selbst einige Jahre auf dem Bock — nun hat der Wahlberliner sich selbst ein Denkmal gesetzt. In dem 16-mm-Streifen Salmiak Noir spielt er einen liebeskranken Taxifahrer, der am Ende der Nachtschicht einen Gangster als Fahrgast hat. Nach einem Mord, den der operettenhafte Killer en passant begeht, ist die Polizei den beiden auf den Fersen. Seelenruhig bietet Lünenschloß' Alter ego dem lispelnden Messerstecher an, ihn mit seinem Osttaxi »hier rauszubringen«. Die Irrfahrt durch das morgendliche Berlin beginnt.

Humorig fügt Regisseur und Autor Volker Lüdecke Versatzstücke der schwarzen Serie zu selbstgefällig gesprochenen Texten aus dem Off aneinander. Die schwierige Reproduktion des Genretons gelingt dem Regieamateur jedoch nicht. Die für das cinema noir typischen Geschichten, die Schauspieler wie Cagney, Bogart und Bergman durch ihr Talent erst erträglich gemacht haben, wirken bei mittelmäßiger Besetzung bemüht und langatmig.

So wird bei Salmiak Noir kein Kalauer ausgelassen, um das Publikum die 80 Minuten, die der Film dauert, bei Laune zu halten. Doch auch Witzemachen will gelernt sein. Als etwa die Königin der Unterwelt — dargestellt von Zazie de Paris — ihren Büstenhalter unterm Négligé auszieht, um dem naiven Taxifahrer das Dessous als Augenbinde umzulegen, regt sich bei der zahlreich anwesenden Claque im Premierenpublikum nichts. Überraschend frisch wirkt die Genre-Klamotte dagegen bei Meditationsbildern wie der Fahrt durch ein Tiefgaragenlabyrinth, die sich zeitlich scheinbar endlos ausdehnt.

Allzu deutlich zeigt der Film, wer der 35jährige Lüdenscheid gerne wäre. Der vorgebliche Dieseldussel überbetont seine schlechte Körperhaltung, um von dem Machismo abzulenken, der den Film durchzieht. Denn trotz seiner Flapsigkeit will auch der Wolga-Fahrer nur das eine: »Gold für meine Dame« und überlegen wirken — besonders, wenn leicht geschürzte Frauen mit auf der Leinwand sind. Das Genrehafte wirkt wie eine Rückzugsgebiet, das sich Regisseur und Darsteller offenhalten: der Männerfantasie gibt man sich nur in ironischer Brechung hin.

Neben der Hauptrolle hat Lüdenschloß auch die Produktion seines cineastischen Herzbluts übernommen. Das Geld für die Fertigstellung von Salmiak Noir — bis zur ersten Kinokopie, immerhin 65.000 DM — hat der Jungfilmer durch einen privaten Bankkredit und »Eigenmittel« selbst vorgestreckt. Der Name des nachlässig inszenierten Schwarzweiß-Produkts ist dem salzigen Lakritz entlehnt, das im Film und während der Vor-Premiere im Babylon Mitte ohne Unterlaß gekaut wird.

Das spannendste am Premierenabend war vielleicht das Denkmal, das sich ein anderer Taxifahrer während der Fahrt zum Kino am Rosa- Luxemburg-Platz setzte. Die Türen kaum geschlossen, plauderte der etwa 60jährige Frontstädter über die Zeit bei der HJ, seine Flucht 1953 aus der Ostzone und die fällige Umbenennung von Straßennamen. »Warten Se, wie ging denn noch das Lied, nach dem der Platz an der Volksbühne früher benannt war? Horst Wessels hieß der wohl.« Doch auch der Reaktionär am Steuer konnte das Klischee nicht bedienen. Der agent provocateur bekam den Text der Nazi-Hymne nicht zusammen. Vielleicht sollten Taxifahrer einfach nur fahren — und nichts sonst. Stefan Gerhard

Salmiak Noi wird heute bei der Neueröffnung des Kamerakinos im Kunsthaus Tacheles um 20.30 und um 22.30 Uhr (bis 21. Mai) gezeigt. Ab 14. Mai auch um 24 Uhr im Moviemento.

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