: MODEBOUTIQUE WEGEN KORAN-SCHMÄHUNG IN LEICESTER NIEDERGEBRANNT
Teuflische Sandaletten
London (afp/taz) — Am Ostermontag morgen gegen 4 Uhr dreißig fuhr ein Toyota Kombi durch die einsamen Straßen der englischen Stadt Leicester. Doch befanden sich die Insassen des Wagens keineswegs auf dem frühen Weg zu ihrer Arbeitsstelle, noch kehrten sie etwa von einer längeren Zechtour heim. Sie waren vielmehr auf dem Weg in die Modeboutique „Valentina“, eines von drei Schuhgeschäften, die die Unternehmerin Diana Lewis in den Städten Leicester, Nottingham und Peterbourough besitzt. Kurz vor ihrem Ziel gaben die Herren noch einmal ordentlich Gas und fuhren sodann durch das feindekorierte Schaufenster filmreif mitten ins Geschäft. Dort angekommen, zündeten sie den Wagen und den Laden an und verschwanden wieder. Die Boutique brannte vollständig aus, die Wohnungen im ersten Stock des Gebäudes wurden ebenfalls stark beschädigt. Nur durch Zufall kam niemand ums Leben, da die Wohnungen zur Tatzeit leer waren. Die Täter konnten unerkannt entkommen. Polizeiinspektor Dick Warren: „Ein Team von Experten sucht nach Spuren.“
Diana Lewis vertreibt in ihren Boutiquen vor allem Schuhe aus Italien, unter ihnen ein Paar sündhaft teure Sandaletten, auf denen ein Koran-Vers abgedruckt ist. Dieser Vers („Es gibt keinen Gott außer Allah“) war der Grund für einen zwischen Diana Lewis und moslemischen Eiferern am Osterwochenende entbrannten Streit. Sie erhielt telefonische Drohungen, vor dem Geschäft in Nottingham protestierten Moslems. Außerdem war sie ultimativ aufgefordert worden, die Schuhe zu entfernen und den Verkauf sofort einzustellen. Zumindest in Nottingham schien der Streit gestern dann jedoch beigelegt. Der Vorsitzende des Islamischen Zentrums von Nottingham, Haji Mohammed Asmat, hatte dies jedenfalls öffentlich verkündet, nachdem ein Treffen von 20 Mitgliedern der moslemischen Gemeinde mit Diana Lewis zu der Übereinkunft geführt hatte, diese — ohnehin ausverkauften — Schuhe nicht mehr zu bestellen. Diana Lewis: „Wir tranken Tee, diskutierten die Sache und kamen zu einem guten Ergebnis. Ich gab mein Wort und sie mir ihres. Und nun sehen Sie, was passiert ist. Das Leben von Menschen scheint den Tätern gleichgültig gewesen zu sein.“
Die als gemäßigt geltende moslemische Organisation „Moderate Islamic Trust“ in Leicester distanzierte sich am gleichen Tag von dem Anschlag. „Wir sind sehr traurig“, hieß es dort. Asmat, der den Verkauf der Schuhe am Wochenende noch mit der Rushdie-Affäre verglichen hatte, zeigte sich nun ebenfalls schockiert. Er distanzierte sich öffentlich und versicherte, niemals würde das islamische Zentrum zur Gewalt aufrufen. Einen Tag zuvor hatte er Diana Lewis noch öffentlich für schlimmer als Salman Rushdie gehalten, der schließlich „nur ein Buch geschrieben“ habe. Mit ihren Schuhen aber würden die Worte des Propheten buchstäblich mit Füßen getreten. Eine öffentliche Entschuldigung hatte Asmat von Lewis gefordert, um die Gotteslästerung zu sühnen. Diana Lewis indes denkt nicht daran, sich einschüchtern zu lassen. Bis Freitag will sie ein neues Geschäft in Leicester eröffnen. -pa-
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen