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Durcheinander in Rom

■ Dreisprachig mit »Story Jam« durch die Ewige Stadt

Ein US-amerikanischer Geheimagent jagt auf den Spuren eines gewissen J. W. Goethe durch die Ewige Stadt. Der legere Sommeranzug und der lose um den Hals geworfene Binder stehen Chuck fabelhaft, allein sein Englisch läßt zu wünschen übrig. Mit knorrig deutschem Akzent radebrecht die Stimme aus dem Off zu den Urlaubsbildern in Halbtotale: rund um das Kolosseum und quer durch Tiber, Taxen und Cafés verfolgt Story-Jam- Regisseur Christian F. Emmrich den bildungshungrigen Protagonisten.

Der Sprache des mediterranen Landes nicht mächtig, bleiben die Erkenntnisse der Reise auf Goethes Spuren dürftig. Außer einigen großformatigen Remittenten mit dem Konterfei des Meisters, die er im Supermarkt zwischen eingeschweißter Wurst und Höschenwindeln entdeckt, kann Chuck nichts finden. Offenkundig frustriert darüber, die Atmosphäre von Goethes Italienischer Reise im Getriebe der modernen Großstadt nicht wiederzufinden, blickt der Trenchcoat-Tourist traurig wie der deutsche Abiturient auf Abschlußfahrt aus der Wäsche des Klischee-Detektivs und hadert mit seinem Sprachproblem.

Kaum heiterer zeigen sich die käseweißen Italiener Mario und Maria. Sichtlich genervt und unablässig quasselnd verbringen sie die Zeit mit Autofahren und Colatrinken in Gartenlokalen. Ihr Sightseeing-Programm scheint eigentlich das von Anna und Otto zu sein, zwei im Italo- Schick aufgemachten deutschen Liebenden. In immer neuem marmornem Lebensart-Interieur — schöne Hausflure hat Emmrich ausgesucht — grübeln sie über Wahrheit und Wahrhaftiges. Das Bild des »Teilchenbeschleunigers« Rom, den der 21jährige Emmrich mit seiner gut halbstündigen Schwarzweiß-Arbeit vorzuführen sucht, ist ein locker verknüpftes Patchwork drei verschiedener Welten, das allein durch den Schauplatz zusammengehalten wird.

Die fotografisch wenig aufregenden, aber freundlich zusammengestohlenen Szenen sind ganz auf die Dialoge der gemütskranken Helden abgestellt, die ihrerseits kaum nachvollziehbar sind. Daß zwei Botschafterkinder auf der Odyssee durch metaphysische Malerei sind und ein adeliges Pärchen beim Marathon in die totale Gefühllosigkeit ist, wie das Textheft verrät, wird bis zum Zusammentreffen der Protagonisten im Seebad Lido Marinella nicht deutlich.

Die Verständigungsschwierigkeiten der Figuren untereinander werden vollständig auf die Zuschauer übertragen: der Originalton des 16-mm-Zelluloids, on location in der lärmenden Metropole aufgenommen, ist beim Schnitt nicht nachbearbeitet worden. So sind die meiste Zeit über bestenfalls Textfetzen zu verstehen.

Eine Untertitelung — auch für die Zuschauer, die nicht Deutsch, Italienisch und Englisch verstehen — würde dem 1990 produzierten Streifen gut stehen. Der sympathische Regisseur macht die lädierten Ohren nach der Vorstellung im Kellerkino nicht wett. Wer die anstrengende Sitzung dennoch nicht scheut, wird mit einem Teilchenbeschleuniger-Gefühl belohnt, das bis zum angekündigten Wiedersehen mit Chuck in Tokio vorhalten muß. Stefan Gerhard

Story Jam von Christian F. Emmrich läuft bis Ende April täglich um 19 Uhr im Kellerkino Kreuzberg, Dresdener Straße 125.

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