Krimi ohne viel Lalülala

■ „Polizeiruf 110“, Die., 21Uhr, ARD

Zurück aus dem verschlafenen Sauerland, wo er am Dienstag abend noch als windiger Textilunternehmer seinem schlitzohrigen Halbbruder zugesetzt hatte (Oppen & Ehrlich), spürte Andreas Schmidt- Schaller am Tag darauf in seiner angestammten Rolle als Oberkommissar Grawe einem mysteriösen Telefon-Mörder nach. Und dabei machte er eine weit bessere Figur als in jener albernen Provinzposse. Die Haare immer ein bißchen wirr und stets eher ein Zögern denn das forsche „Hoppla, jetzt komm ich“ im Blick, hatte „sein“ Kommissar trotz smarter Antik-Lederjacke mit seinen toughen Fahnder-Kollegen, Marke West, erfrischend wenig gemein. Überhaupt entpuppte sich die erste ARD-Ausgabe der ehemaligen DDR-Krimireihe als Lichtstreif am trüben öffentlich-rechtlichen Verbrecherhimmel.

Ein origineller Plot, bis in die Nebenrollen überzeugende Mimen und vor allem ein Autor und Regisseur Thomas Jacob, der sich auf's intelligente Krimi-Handwerk verstand. Befürchtungen, daß es sich bei dem unbeholfenen Titel der Folge (Mit dem Anruf kommt der Mord) um ein übles Hitchcock-Plagiat handeln könnte, erwiesen sich bald als unbegründet. Gleichwohl, Sir Alf hätte vieles an dem Film — vom Fehlen einer kühlen Blonden einmal abgesehen — wahrscheinlich gemocht. Nicht allein, daß Jacob sich nicht mit dem öden „who-done-it“ aufhielt (der Täter stand von vornherein fest), sondern vor allem die Art, wie er mit raffinierten Aussparungen mal die Spannung anfachte, mal augenzwinkernd mit Zuschauererwartungen spielte, verriet souveränes Krimi-Handwerk: Ob der Junge, der da vor unseren Augen aus dem Fenster sprang, auf dem Asphalt oder im Sprungtuch landete, wurde erst Minuten später eher beiläufig nachgereicht, und das Kind, dessen „Ermordung“ per Telefon man bis kurz vor dem Exitus miterleben konnte, sprang kurz darauf putzmunter aus dem Haus.

Über solche handwerklichen Finessen hinaus gelang Jacob nicht nur die stimmige Zeichnung einer realsozialistischen Plattenbau-Tristesse, sondern er verstand es ebenso überzeugend, den Täter als Opfer vorzuführen, ohne dafür die ausgelutschten Tränendrücker aus der sozialpädagogischen Mottenkiste zu strapazieren. Daß die Arbeitskollegen des verklemmten Telefon-Täters allzu sehr als grölende Dummdödel-Bande („Geduscht und gebumst wird bei uns im Kollektiv“) daherkamen oder mancher Knirps für sein Alter eine Spur zu clever geraten war, fiel dabei kaum ins Gewicht. Mit der Art, wie „Adler“, „Falke“ & Co. (Die originellen Decknamen waren womöglich Realsatire) hier ohne viel Lälülala, quietschende Reifen, kühne Recken, Neonlicht und handfeste Keilereien ihren Job erledigten, gehören sie allemal zu den wenigen schützenswerten Arten in der ersten Reihe. Reinhard Lüke