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Ort und Weise

Kommentar im Off oder letzter Erfahrungsraum? Überlegungen auf und zu einem Symposium in Maastricht über die Rolle Bildender Kunst im Galerie- und Stadtraum  ■ Von Jochen Becker

Während der Maler Gerhard Richter die Räume der Düsseldorfer Hypo-Bank makellos dekoriert, konstruiert documenta-Teilnehmer Krzysztof Wodiczko zeitgleich in New York Alu- Vehikel für Obdachlose, die ihnen als Transportwagen und Schlafstätte dienen. Dekadenz und Notwehr stehen sich derzeit in der Bildenden Kunst scharf gegenüber. Individuelle Kontemplation vor dem autonomen Werk versus kollekivem Aufruf zum Widerspruch sind nicht als neuer Bilderstreit oder kleinlicher Stil-Krieg zu verbuchen, wie ihn die Avantgarde-Bewegungen vergangener Jahrzehnte noch ausfochten. Es geht vielmehr um die Position der Künste zwischen Repräsentation und Vergegenwärtigung, als Zierde oder Einspruch. Angesichts der im satten Mitteleuropa kaum diskutierten Positionsneubestimmung der Künste hatte das dreitägige Treffen in Maastricht unter anderem eine Aufarbeitung des transatlantischen Vordenkens zu leisten.

Praxis der Straße

Ort und Weise der Präsentation — so die eher zögerliche Arbeitshypothese der Gastgeberin Ine Gevers für das Symposium Place-Position-Presentation-Public in der Maastrichter Kunstakademie — prägen die Bedeutung künstlerischer Arbeiten. Im Spektakel-Zeitalter rasch wechselnder Kontexte ist die Frage des Ausstellungsrahmens und der eigenen Positionierung des Künstlers/der Künstlerin von überaus großer Bedeutung. So setzte Andrea Frazer in ihrem Vortrag, den sie wegen eines privaten Druckerstreiks direkt vom Laptop ablas, an die Stelle piktoraler Betrachtung eine genaue Analyse der ausstellenden und kunstfördernden Institutionen. Welche Rolle spielt beispielsweise, so einer der Kommentare während der anschließenden Diskussion, die Kunstschulung an einer Akademie wie der in Maastricht, wo es mehr Ausbilder als Auszubildende gibt, und wo man sich im Unterschied zu vergleichbaren Institutionen in den USA den Luxus gut umsorgter Symposien leisten kann?

Ein Kunstwerk — so eine nicht mehr ganz frühe These — ist nicht mehr autonom denkbar; die künstlerische Arbeit übernimmt eine Funktion, die von Verzierung über Tourismusanreiz bis zur Übernahme sozialer Aufgaben reichen kann. Präziser faßte es Dennis Adams: Kunst ist vielleicht einer der letzten möglichen Orte für Öffentlichkeit und Auseinandersetzung. Er antwortete damit auf die durchaus berechtigte Frage aus dem Publikum, ob nicht schon längst der öffentliche Raum durch das veröffentlichte Medien-Bild abgelöst sei, und er sich mit seinen kritischen Arbeiten im Stadtbereich anachronistisch verhalte. „Public Art“ bliebe — im Unterschied zum Fernseh-Infotainment — ein Ort sozialer Kommunikation. Der unterstellten Wirkungslosigkeit widersprechen — so Adams in seiner Replik — etwa die heftigen Erfahrungen mit Behörden und Veranstaltern. Erst jüngst wurde er aus dem Expo-Rahmenprogramm in Sevilla ausgeladen, da er sich dem Disneyland-Charakter der Weltausstellung widersetzte.

Dennis Adams arbeitet mit seinen plastischen Projekten im öffentlichen Straßenraum (Bushaltestellen, Schilder, baustellenartige Konstrukte) gegen „ausschließende Taktiken“ oder „Fragmentierung“ und nannte als Beispiel dieser fatalen Exklusion New Yorks neueste Automaten-Toiletten: Innen leuchtet nur ein blaues Licht, so daß der Junkie seine Venen nicht finden kann. Das löst zwar nicht das Problem, hält jedoch das bürgerliche Stadtbild sauber. Die konventionellen Medien blenden in immer feiner differenzierten Special-Interest-Angeboten das Fremde und Widersprüchliche aus. Die Künstlerin Adrian Piper referierte ausführlich über das sich ausbreitende Phänomen der Xenophobie, also einer Feindschaft dem Fremden gegenüber. Adams versucht während der Recherche vor Ort und mit den daraus resultierenden Arbeiten das Ausgeschlossene zumindest wieder vor Augen zu führen.

„Bringing the practice to street level“, bezeichnete Dennis Adams sein weiteres Vorgehen: Zum einen müsse sich die künstlerische Arbeit an der Praxis des Alltags prüfen. Die Erfahrungen im Stadtraum während seiner Recherchetätigkeit beeinflussen ganz zwangsläufig die Präsentation. Im Laufe seiner Vorbereitungen in Genf sprach Adams unter Hilfestellung von Dolmetschern mit illegalen Baustellenarbeitern aus Nordafrika, Asien oder Südeuropa. Statt — wie vorgesehen — ihre Namen in seine Arbeit mit aufzunehmen und sie so den Behörden auszuliefern, nannte er lieber die weitverstreuten Heimatorte der Arbeitsimmigranten. Zum anderen soll seine Kunst im öffentlichen Raum nach Möglichkeit eine eigene Aktivität der Passanten anregen. Schon aus diesem Grund sucht Adams bevorzugt „privileged zones“ — also vielbeachtete, auch touristisch frequentierte Orte in der Stadt — um hier seine Arbeit wirksam zu publizieren.

Theorie der Unterkunft

Die Künstlerin, Kuratorin und Kritikerin Martha Rossler nutzte in ihrer Arbeitsreihe If You Live here... die vergleichsweise luxuriöse Einladung der New Yorker „Dia Art Foundation“, um mit Ausstellungspräsentationen, sogenannten Stadt- Treffen und einer Buchpublikation die Ursachen und Folgen der Obdachlosigkeit in den USA und einer verfehlten Stadtplanung zu untersuchen. So wurden die Galerieräume etwa für das Zimmern von Notunterkünften genutzt, oder eine Gruppe stellte ihre Untersuchungen zur Sozialstruktur in Chinatown vor. Der Ausstellungsraum war hier nicht mehr Container für Kunstobjekte, sondern fungierte als Medium zur Darstellung, Analyse und möglichen Veränderungen eines Problems. Um dem alles gleichmachenden Kunstkontext Widerstand zu leisten, füllte sie den weißgestrichenen Ausstellungsraum mit „Kram“ an („messing the gallery space“) und stellte einen laufenden Fernseher und Videorecorder hinein, um so der andächtigen Stille entgegenzuwirken. Außerdem errichtete Rossler innerhalb der Präsentation Arbeitsecken und Wohnbereiche. Ein mit der Ausstellung verknüpftes Außenprojekt, welches in Zusammenarbeit mit der Obdachloseninitiative „Homeless Bound“ durchgeführt wurde, rief 150 Tage lang auf den Parkbänken vor dem New Yorker Rathaus die Passanten zur Registrierung ins Wahlregister auf: Kunst als Aufforderung zur politischen Partizipation.

Funk Lesson nannte Adrian Piper ihr Modell für neue Formen der Aufklärung. Zu Beginn der achtziger Jahre zog sie durch die Vereinigten Staaten und veranstaltete eine geniale Mischung aus Tanzschule und Konzeptkunst: Mit einem Stapel Black Music und einer Tafel (black board) im Rücken demonstrierte sie entscheidende Bewegungselemente von Disco, Soul und Funk. Zum Schluß endet alles in einer Party, in welcher der Unterschied zwischen weißem (Talking Heads) und schwarztem (Bootsy/Parliament) Funk praktisch erfahrbar wurde. Ein semi-didaktischer Videofilm zeugt noch von der Einübung in Black Culture.

Das insgesamt dreitägige und mit vorab zugesandtem, dicken Reader gut vorbereitete Arbeitstreffen — sogar die Pausen waren dank Imbiß und Getränken im Gebäude zu konzentrierten Gesprächen nutzbar — bewirkte im vorrangig jung und niederländisch bestückten Publikum lebhafte Diskussionen. Die Zeit der Kunst des gefälligen Augenzwinkerns scheint auch im wohlhabenden Mitteleuropa fragwürdig. So wirkten Norbert Rademachers bildhauerische Interventionen an den blinden Flecken im Straßenraum, die er in einem Diavortrag vorstellte, gerade im Vergleich zu den Präsentationen anderer Redner recht traditionell und vorrangig aus der Sicht des plastischen Kunstwerks her gedacht.

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