: „mmhh“ gegen „aaah“
■ Sabatini ist Publikumsliebling beim Hamburger Tennisturnier, Steffi Graf das Problemkind
Hamburg (taz) — Stefanie Maria Graf steckt in einer Krise. Ihre Spielweise, von der Grundlinie mit harten Vorhandschlägen das Spiel zu dominieren, hat sich in der letzten Zeit immer mehr als antiquiert erwiesen, hinzu kamen die gerade erst ausgestandenen Kalamitäten um ihren Vater. Sie hat es schon schwer, die Pasta-Werbeträgerin, vor allem, wenn sie in Deutschland an den Start muß.
Auch beim Turnier am Hamburger Rothenbaum ist das nicht anders. Selbst hier, wo sie bisher fünfmal in Folge gewann, ist ihr ein weiterer Triumph nicht gewiß. Gabriela Sabatini, die von den Boulevard-Journalisten zur Schönheitskönigin gekürte Weltranglistenvierte und Steffis Angstgegnerin, erschien in den ersten Tagen von Hamburg als die souveränere. „Das ist ja schon irgendwie frustrierend, gegen die zu spielen, die spielt so selbstbewußt“, äußerte sich Barbara Rittner nach ihrer 1:6, 1:6 Achtelfinal-Niederlage gegen die Argentinierin. Frustrierend war für die Weltranglisten-Dreißigste nicht nur das Spiel der Sabatini, sondern auch, daß die Zuschauerunterstützung auf deren Seite lag. „Gaby, Gaby“-Rufe schallten aus dem Fanblock der Schwarzgelockten, während es für die Deutsche nur ab und an einen verschüchterten, aufmunternden „Barbara“-Ruf gab, nicht einmal, wie im Tennis sonst so üblich, ein zärtliches „Babsi“ oder eine andere Verniedlichungsform — gegen Beauty-Gaby ist selbst eine einheimische Spielerin nur Barbara.
In einem harten Kampf — gerade im zweiten Satz gab es kaum ein Spiel, das nicht über Einstand ging — erwies sich die Argentinierin als die Überlegene. Hier ein Stopp, dort eine brilliant vorbereitete und gnadenlos vollstreckte Netzattacke, die Argentinierin nutzte jedes spielerische Mittel, ihre Gegnerin zu düpieren. Auf der einen Seite ein „mmhh“ (Rittner), auf der anderen Seite ein „aahh“ (Sabatini) bei jedem Schlag zeigte den Zuschauern, daß es nicht nur Raffinessen spielerischer Art sind, die Spitzenspielerinnen von heute ausmachen. Auch phonetische Attacken offenbaren Weltklasse.
Steffi Graf, der lärmgedrosselte Twen in der Gesellschaft der stöhnwütigen Teenies, verrichtete zuvor pflichtgemäß, mit 6:2 und 6:3 gegen Magdalena Malejewa ihre Arbeit. Auch hier ein volkstümlicher Fanblock, der „Steffi, Steffi“-Rufe über den Center Court schallen ließ, für die Gegnerin ab und an ein aufmunterndes rhythmisches Klatschen, der Höflichkeit halber wohlgemerkt, eben wegen der sportlichen Fairneß, die beim einstigen Nobelsport mit dazugehören soll.
Die Brühlerin agierte wiederum ungewohnt offensiv, Graf-untypisch attackierte sie teils ungestüm wie Jung-Boris am Netz. Sie versuche, ihr Spiel variabler zu gestalten, wie sie hernach der Presse mitteilte. Ein Unterfangen, das ihr teilweise gut gelang, doch in Momenten der Bedrängnis war es wieder ihr gewohntes Spiel, die brachial geschlagene Vorhand von der Grundlinie, die ihr zu Punkten verhalf.
Aber wie immer bei Graf-Auftritten war es nicht das Spiel, was ihr persönliche Schwierigkeiten bereitete, es war auch nicht die Tatsache, daß ihre argentinische Konkurrentin das weitaus bessere Tennis zeigte, das überzogene Interesse an ihrer Person, das immerwährende Blitzlichtgewitter und die Spekulationen um den Federation-Cup bereiteten ihr Kopfschmerzen. Bekommt sie nun 400.000 Mark Antrittsgeld für diesen Tennisländerkampf oder nicht? Wer darf neben der Steffi für die nationale Ehre Doppel spielen, die Anke Huber aus Karlsdorf oder doch Barbara Rittner, die in Hamburg so ungeliebte? Fragen über Fragen.
Von dem Antrittsgeld habe sie erst aus der Presse erfahren, das sei ihr „vollkommen unbekannt“, und die beiden Kontrahentinnen, die um die Gunst buhlen, an der Seite Steffis spielen zu dürfen, bekommen beide ihre Chance, die eine in Paris (Rittner) die andere in Wimbledon (Huber). Und das Doppel mit Rene Stubbs spiele sie nur, weil es ihr Spaß macht. Also doch nicht nur Tortur für Steffi-Nazionale in Hamburg. Kai Rehländer
München, Achtelfinale: Novacek (CSFR) - Engel (Schweden) 6:2, 6:1; Naewie (Mannheim) - Perez-Roldan (Argentinien) 6:4, 7:6 (8:6); Karbacher (München) - Krickstein (USA) 6:2, 6:4; Korda (CSFR) - Jonsson (Schweden) 6:4; 6:3; Stich (Elmsborn) - Thoms (Hannover) 6:3, 6:4; Larsson (Schweden) - Camporese (Italien) 6:2, 6:1; Medwedew (Ukraine) - Gilbert (Frankreich) 6:2, 6:0; Kulti (Schweden) - Prpic (Kroatien) 6:0, 7:5
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