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DIE FÜNFTE GEWALT — WEGE DURCH DEN MEDIENDSCHUNGEL Von Ben Vart

Vorweg: Wer in der taz von vorgestern jenen Hinweis auf einen Artikel des verdienten Chronisten Otto Köhler in Konkret über „Augsteins unbewältigte Vergangenheit“ verpaßte (also die früheren „nationalistisch-antisemitischen“ Ausfälle des Nachrichtenmagazins 'Spiegel‘, das heute nicht nur auf „alldeutsch-völkischen Kurs gebracht“ worden sei — so die redaktionelle Einleitung des Köhlerschen Artikels), dem sei die 'Konkret‘- Lektüre auch an dieser Stelle noch einmal energisch nahegelegt. Wie integer ist das Hamburger Blatt, das nicht nur durch wirkungsvollen Skandaljournalismus, sondern auch durch des öfteren exzessive Verfolgung Einzelner (beispielsweise Ostdeutscher mit nicht 'Spiegel‘-liker Biographie) hervortrat, eigentlich, wo doch die Redaktion selber noch ein paar (braune) Leichen im Keller hat?

In derselben Ausgabe des linken Monatsmagazins stellt Hermann L. Gremliza ein paar Fakten zur Asyl- Diskussion klar: „An Personen, die im geeinten Deutschland das ,Ausländerproblem‘ bilden, sind im Jahr 1991 als Aussiedler oder Asylsuchende in die Bundesrepublik eingereist insgesamt 414.070, davon 340.675 ehemalige Bürger der Sowjetunion, Polens, Rumäniens, und Jugoslawiens, unter ihnen 221.995 Aussiedler, sogenannte Volksdeutsche ... Aus Asien kamen 30.000 Flüchtlinge, aus Afrika ... kamen 8.358.“ Schade, daß weder Bravo- Macher noch -Leser diese Zahlen kennen, und so müssen, im „Bravo- Aufreger der Woche: Pro & Contra Asylanten“ viele, wie Markus (14, „Ich habe nichts gegen Asylbewerber. Allerdings kommen mittlerweile zu viele hierher.“), am Thema vorbeischreiben. Schön, daß die Redaktion allerdings nichts unversucht läßt: „Um das Thema junge Asylanten dreht sich auch die neue Bravo- Foto-Love-Story, die auf Seite 60 beginnt.

Manche im bürgerlichen Blätterwald tun so, als sei der Skin der natürliche Feind des Ausländers. Dieser Dummheit ist die Ostberliner Wochenpost in ihrer Skinheads-Titelgeschichte („Denn sie wissen nicht, was sie tun“) über einen engagierten Sozialarbeiter, der mit Glatzen arbeitet, nicht aufgesessen. Dafür kommen in der liberalen Wochenzeitung (die nicht nur für ihre lesbaren Gerichtsreportagen zu loben ist, sondern auch für deren guter Plazierung immer auf der Rückseite oben — nachahmenswert), neben den langen Ausführungen über die Bautätigkeiten in von Rechten besetzten Häusern, die wirtschaftlichen Ursachen des Abdriftens sozial benachteiligter Getto-Kinder zu kurz: „Aber eine Wohnung, einen Job gab es für die...“ — nach der Wende von der DDR-Amnestie begünstigten sogenannten Politischen, also auch: rechten Jugendlichen — „...Entlassenen auch nicht. An eine der Hoffnungen klammerten sich viele der Jungen noch: das richtige Geld nach der Währungsunion. Doch ohne Arbeit? ... Die Stammkneipe war plötzlich ein Teppichladen. Der Bahnhof Lichtenberg von Sinti und Roma besetzt.“ Zur Aufklärung gehört auch die Schonungslosigkeit, vor der sich Liberale gerne drücken. Beispielsweise der direkte Zusammenhang von staatlich betriebener Währungsunion, privaten Gewinnen und öffentlichem Elend.

Das Handelblatt verpackt das, am letzten Donnerstag, bündig: „Neue Länder — Auftragseingang im Januar gesunken.

Steinbach kühl: Die diskrete Schamlosigkeit der Bourgeoisie.

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