: Todesschüsse in Los Angeles auf Autofahrer
Los Angeles (ap) — Bei der Rückkehr zur Normalität hat sich in Los Angeles ein neuer schwerer Zwischenfall ereignet: Soldaten der Nationalgarde erschossen am Sonntag einen Autofahrer und machten dabei erstmals von der Schußwaffe Gebrauch. Damit erhöhte sich die Zahl der Todesopfer bei den am vergangenen Mittwoch ausgebrochenen Unruhen auf 47, über 2.300 Menschen wurden verletzt.
Der bisher letzte tödliche Zwischenfall ereignete sich westlich der Innenstadt: Dort versuchte am Sonntag abend nach Beginn des Ausgehverbots ein Autofahrer einige Nationalgardisten zu überfahren. Die Soldaten schossen auf den Mann und trafen ihn tödlich. Die Polizei erklärte, es habe sich um den ersten Fall gehandelt, in dem die Nationalgarde scharfe Schüsse abgegeben habe. Bürgermeister Tom Bradley erklärte, die Nationalgarde und die Einheiten der Streitkräfte, die Präsident George Bush nach Los Angeles abkommandiert hat, würden noch einige Tage in Bereitschaft stehen.
Bradly kündigte am Sonntag auf einer Pressekonferenz auch an, mit Wirkung vom Montag werde das nächtliche Ausgehverbot aufgehoben, das bis dahin in rund 25 Orten im Ballungsgebiet der Stadt in Kraft war. Bereits am Sonntag fuhren die ersten Linienbusse in dem am schlimmsten verwüsteten Stadtviertel South Central Los Angeles wieder. Auch Schulen wurden wieder geöffnet, die Aufräumungsarbeiten gingen weiter. Das Gesundheitsamt teilte mit, zahlreiche Strände müßten gesperrt werden, da das Löschwasser die Santa Monica Bay vor der Stadt verseucht habe. Das Wasser, das sich über den Los Angeles River in die Bucht ergossen habe, enthalte Giftstoffe, Öl und Trümmerstücke.
Die jüngsten Unruhen werden immer mehr zum Thema des Präsidentschaftswahlkampfes in den USA. Während Bush ankündigte, er werde Los Angeles am Donnerstag besuchen, sagte der ehemalige kalifornische Gouverneur Jerry Brown, der sich um eine Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokratischen Partei bemüht, in Indianapolis: „Ich sage Ihnen, das, was sich in Los Angeles abgespielt hat, wird sich wieder ereignen, weil man nicht Leute im Käfig einsperren, ihnen die Arbeit wegnehmen, sie wie Bürger zweiter Klasse behandeln und dann noch erwarten kann, daß man den Folgen entkommt.“ Der texanische Milliardär Ross Perot, der eine Präsidentschaftskandidatur als Unabhängiger erwägt, äußerte die Vermutung, daß Bushs Wahlkampfstil zum Rassenhaß beigetragen haben könnte. Bush selbst beraumte am Montag in Washington Gespräche mit seinen Ministern für Arbeit, Gesundheit und Wohnungsbau und anderen führenden Mitarbeitern an, um Möglichkeiten einer Lösung der Probleme in den Ballungsgebieten zu erörtern.
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