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KOMMENTAREDes Kanzlers hochverdiente Niederlage

■ Der Kompromiß im Öffentlichen Dienst — Ergebnis der Spaltung des Arbeitgeberlagers

Die Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes sind in die Knie gegangen. Die Bundesregierung geht aus der von ihr selbst gesuchten Kraftprobe mit den Gewerkschaften als Verlierer vom Platz. Das ist das politische Ergebnis dieses Arbeitskampfes. Materiell drückt sich die Niederlage darin aus, daß der Abschluß im Gesamtvolumen höher ist als der Schlichterspruch vom 13. April. Den hatten die öffentlichen Arbeitgeber unter Führung des Bundes als unannehmbar zurückgewiesen, obwohl er sich darin erschöpfte, den Anstieg der Lohn- und Gehaltskosten im Öffentlichen Dienst auf das Inflationsniveau zu begrenzen.

Die Bundesregierung hat sich dreifach verschätzt. Sie glaubte, ihre Maßhalteappelle würden in der öffentlichen Meinung positiv aufgenommen, sie verließ sich auf die geringe Popularität von Streiks im Dienstleistungsbereich beim „Publikum“ und sie schätzte die Kampfbereitschaft der Gewerkschaftsmitglieder völlig falsch ein. Tatsächlich erwies sich der Streik trotz der mit ihm verbundenen Unannehmlichkeiten als populär. Das Ergebnis hat Signalwirkung — allerdings nicht im Sinne des Bundeskanzlers.

Für die unteren Einkommensgruppen wird es jetzt Erhöhungen von knapp über sechs Prozent, also eine geringfügige Reallohnsteigerung geben. Unverständlich ist nur, daß dieses Ergebnis nicht auf gewerkschaftliche Initiative zustandegekommen ist, sondern auf Drängen einiger Länder- und Gemeindevertreter, insbesondere der SPD-Politikerin Heide Simonis. Die Gewerkschaften sind auf diesen Weg erst eingeschwenkt, nachdem sich die „soziale Komponente“ als gut verkäufliche Kompromißformel herausstellte — ein politisches Armutszeugnis für eine Organisation, die sich angeblich den sozial Schwachen verpflichtet weiß.

Der „politischer Sieg“ (Mokia Wulf-Mathies) der Gewerkschaften wurde möglich durch die Spaltung des Arbeitgeberlagers: während der Bund, der von allen Gebietskörperschaften am wenigsten durch Personalkosten belastet ist, die Konfrontation zu den Gewerkschaften forcierte, haben die mehrheitlich sozialdemokratischen VertreterInnen der Länder und Gemeinden aktiv nach Kompromißmöglichkeiten gesucht. Sie hatten die Hauptlast des Streiks zu tragen und haben sich letztlich der politischen Konfliktstrategie der Bundesregierung verweigert. Die Niederlage der öffentlichen Arbeitgeber ist also zu allererst eine hochverdiente Niederlage der Kanzlerstrategie. Martin Kempe

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