piwik no script img

Sony-Kathedralen in der Wüste?

■ Der Großkonzern lobt Architekturwettbewerb für den Potsdamer Platz aus/ Planung soll nicht von Tunnellöchern zerstört werden/ Büros, Wohnungen, 100-Meter-Turm und »Piazza« als Vorgaben?

Berlin. Mit einer deutlichen Warnung an die wirren Verkehrsplaner im Senat stellte Sony-Geschäftsführer Rainer Wagner gestern die Auslobung des »Internationalen Architektenwettbewerbs« für die Bebauung des Esplanade-Dreiecks am Potsdamer Platz der Presse vor. »Baubeginn für uns Investoren ist erst möglich, wenn gesicherte Zeitpläne und Termine zur Fertigstellung für die öffentlichen Bauwerke gegeben sind. Kathedralen in der Wüste«, meinte Wagner, die umgeben seien von tiefen Baugruben und Tunnellöchern am Potsdamer Platz, wären wirtschaftlich nicht durchzuhalten. Sony erneuere darum seinen Vorschlag, die Koordination zwischen den Senatsverwaltungen und den Eigenbetrieben der Stadt, der Reichsbahn und den Investoren einer Gesellschaft zu übertragen, die das »Projekt« übernimmt.

Die Auslobung für die Bebauung des 31.000 Quadratmeter großen Grundstücks zwischen Potsdamer und Kemper Platz führt Sony als »kooperatives Verfahren« durch. Die sieben eingeladenen Büros — darunter die Planer des Frankfurter Messeturms Murphy und Jahn aus Chicago, die New Yorker Kohn/Pederson/Fox, die Hamburger Architekten von Gerkan und Partner sowie Pelli, Erbauer des World Financial Centers in New York, Hertzberger, Amsterdam, und Walter Noebel aus Mailand — sollen »in enger Abstimmung mit dem Investor« Vorschläge für ein »lebendiges Stück Stadt von Rang erarbeiten«. Nicht das Sony- Hauptquartier, kommentierte Wagner die Vorgaben, »sondern die Schaffung öffentlichen Raumes« stehe im Vordergrund. Deshalb sei der »Anteil Büro am Gesamtprojekt weit weniger als die Hälfte«. Das ist genug: Neben der Sony-Zentrale mit 27.000 Quadratmetern Nutzfläche und zusätzlichen Bürobauten mit 45.000 Quadratmetern sind das Filmhaus, ein Kinocenter und Restaurants vorgesehen. Ein Hotel, neben dem zu sanierenden »Esplanade«, Läden und Wohnungen mit 31.000 Quadratmetern Nutzfläche folgen. Die 1.200 Stellplätze für PKWs sieht Wagner in dreigeschossigen Tiefgaragen verschwinden. Der Wettbewerb werde im Sommer entschieden, sagte er. Damit nicht alles so aussieht wie bei Daimler, habe man den Autoriesen in die Jury eingeladen. Baubeginn für das 1,2 Milliarden teure Bauvorhaben soll im Herbst 1993 sein, mit der Fertigstellung rechnet Wagner 1996.

Als »Rahmen für die bauliche Figur des Ensembles«, so Wagner, habe man den Architekten eine »idealtypische Vorgabe« mit auf den Weg gegeben. Danach könnte das Gelände später einmal so aussehen: Im Schwerpunkt des dreieckigen Areals liegt ein runder Stadtplatz, die »Piazza«. Sie wird arrondiert vom rund 35 Meter hohen Filmhaus und weiteren Büro- oder Geschäftsbauten. Am Potsdamer Platz folgt ein etwa 100 Meter hohes Turmhaus. Zwischen Kemperplatz und Neuer Potsdamer Straße werden die Sony-Zentrale und Wohnungen entstehen — gesetzt den Fall, der Senat findet dort Ausgleichsgrundstücke für die abgezwackten Sonyflächen an der Potsdamer Straße. Sorgen bereite im Augenblick weniger der unterirdische »Schweizer Käse« aus Kanälen und Verkehrsschächten, merkte Wagner an, als vielmehr die »absurden« Westeinfahrten in den Nord-Süd- Tunnel. »Sie trennen unser Gelände vom Kulturforum.« Immerhin gäbe es »Anlaß zur Hoffnung, daß uns der Tunnel erspart bleibt«, prophezeite er — mit Blick auf die Senatsentscheidung vom gleichen Tag. Rolf R. Lautenschläger

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen