Waigel setzt Ausgabenmuratorium durch

Bundesregierung schließt sich den Eckwerten des Finanzministers zur Finanzpolitik an/ Nun wird bis zum Juli um Kürzungen gefeilscht/ Waigel lehnt SPD-Vorschläge als „Rezessionsprogramm“ ab  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Theo Waigel meldete Vollzug. Das Sparkonzept, das der Finanzminister in der letzten Wochen von den Fraktionen der Regierungsparteien hatte absegnen lassen, fand gestern auch die einmütige Zustimmung der Ministerkollegen ebenso wie der Nachtragshaushalt für das laufende Jahr.

Beschlossen wurden im Kabinett die „Eckwerte“ für die Finanzpolitik der kommenden Jahre. Danach wird der Ausgabenzuwachs des Bundeshaushalts bis 1996 auf durchschnittlich 2,5 Prozent pro Jahr begrenzt. Das Moratorium für finanzwirksame Leistungen wird bis 1994 verlängert, neue Leistungen können nur beschlossen werden, wenn dafür an anderer Stelle gespart wird. Die Nettokreditaufnahme soll 1993 höchstens 40 Milliarden betragen, bis 1995 soll soll sie auf 25 Milliarden gesenkt werden. Als einzige konkrete Sparmaßnahme sieht das Konzept vor, die Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit, in diesem Jahr rund fünf Milliarden Mark, zu streichen.

Ansonsten gilt für Waigel: „Die Wünsche müssen sich dem Haushalt unterordnen.“ Obwohl im Kabinett „Wünsche in Höhe von 20 bis 30 Milliarden Mark“ vorgetragen wurden, einigte man sich entschlossen auf Waigels Konzept. Die konkrete Ausgestaltung soll nun bis zum 1. Juli vorgenommen werden, denn noch vor dem Weltwirtschaftsgipfel will Waigel ein Stabilitätssignal setzen. Hart gefordert ist vor allem Arbeitsminister Norbert Blüm, der laut Waigel die Streichung der Bundeszuschüsse für die Nürnberger Bundesanstalt schon geschluckt haben soll. In der Fraktion hatte Waigel im Gegenzug zugesagt, den Rentenzuschuß nicht zu kappen. Wie Blüm die fehlenden Beträge anders als durch kräftige Einschnitte bei den Leistungen einsparen will, weiß derzeit niemand. Angesichts der Arbeitsmarktentwicklung im Osten braucht die Bundesanstalt eigentlich noch mehr Geld. Dazu Waigel: „Wir gehen davon aus, daß der Bundesarbeitsminister seine Vorschläge machen wird.“ Ähnlich lapidar kommentierte Waigel Anfragen zu anderen Einzelbereichen. Zur Pflegeversicherung: „Die Kosten für die Wirtschaft müssen an anderer Stelle ausgeglichen werden.“ Zum steigenden Wohngeldbedarf in den neuen Ländern: Bisher seien nicht alle vorgesehenen Mittel abgerufen worden.

Die Finanzierungsvorschläge, die die SPD in den letzten Tagen vorgelegt hat, fanden bei Theo Waigel wenig Gegenliebe. Daß ausgerechnet die Sozialdemokraten „in erster Linie ein Steuererhöhungspaket“, vorlegten, habe ihn verwundert, so der Minister, weil „der Finanzexperte der SPD, Lafontaine“ doch gerade davor immer warne. Der Vorschlag der SPD wäre ein „Rezessionsprogramm“, die Kürzungen teilweise „Luftbuchungen“, die vorgeschlagene Ergänzungsabgabe für Besserverdienende „kontraproduktiv“. FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms bezeichnete das SPD- Konzept als „Mogelpackung“.

Die SPD ihrerseits ließ kaum ein gutes Haar an Waigel. „Milliardenschwere Haushaltrisiken“ würden einfach unter den Teppich gekehrt, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Ingrid Matthäus-Maier. Die Eckwerte seien „reines Wunschdenken“, weil bislang keine Kürzungsvorschläge vorlägen. Kritik gab es aber auch aus der Union: Der sächsische CDU-Abgeordnete Manfred Kolbe, der auch dem Haushaltsausschuß angehört, erklärte, das Konzept greife zu kurz und stelle einen Verschiebebahnhof zu Lasten der Ostländer und der Bundesanstalt für Arbeit dar.