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Der Zürcher Bankier der roten Socken

Ein privates Bankhaus in Zürich und sein Direktor Max Moser fungierten ein Vierteljahrhundert lang als Finanzdrehscheibe und Verwalter der Briefkasten-Holdings in Liechtenstein für Schalck-Golodkowski  ■ Von Thomas Scheuer

Bonn/Zürich (taz) — Die Stasi traute keinem und keiner. Selbst Topleute aus dem Schattenreich „Kommerzielle Koordinierung“ (KoKo) des Alexander Schalck-Golodkowski wurden von einer speziellen Stasi-Einheit überwacht. So blieb auch ein Telefonat von Waltraud Lisowski, in Schalcks Imperium zuständig für die Konten und Firmen der SED im westlichen Ausland, bei der Stasi nicht unbemerkt. Verwundert notierte der mit dem Abhören der Bänder beschäftigte Geheimdienstler: Immer wenn Frau Lisowski eine bestimmte Nummer im westlichen Ausland anklingelte, meldete sie sich nicht unter ihrem eigenen Namen, sondern als „Frau Gutmann“. Gutmann war der Mädchenname von Sigrid Schalck-Golodkowski, der Ehefrau des KoKo-Paten. Ausgerechnet auf den Namen Gutmann stellte der Bundesnachrichtendienst dem Übersiedler-Ehepaar Schalck im Frühjahr 1990 Falschpapiere aus, über die dann der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Lutz Stavenhagen, stolperte.

Daß sowohl Sigrid Schalck-Golodkowski selbst als auch die KoKo- Lady Lisowski sich schon zu DDR- Zeiten des Tarnnamens Gutmann bedienten, gibt Gerüchten und Spekulationen neuen Auftrieb, „Big Alex“ habe womöglich doch beizeiten seine Altersversorgung auf die westliche Seite geschafft.

Unser Mann in der Schweiz

Denn als „Gutmann“ pflegte sich die KoKo-Finanzmanagerin Lisowski stets bei einem ganz speziellen Gesprächspartner zu melden: bei Max Moser, dem Direktor der Bank für Handel und Effekten in der Schweizer Geldmetropole Zürich. „Unseren Bankier in der Schweiz“ nannte Frau Lisowski den Mann in einer Aktennotiz. Mosers Geldinstitut verwaltete nicht nur über ein Vierteljahrhundert lang Konten und Anlagen der KoKo-Mafia. Er installierte in Schalcks Auftrag auch jenen Rattenschwanz von Briefkastenfirmen im nahen Liechtenstein, über den die SED-Goldfinger ihre verdeckten Industrie- und Immobilienbeteiligungen im westlichen Ausland hielten.

Vom Wert „eigener abgedeckter Firmen im nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“ schwärmte schon 1970 der Doktorand Alexander Schalck-Golodkowski in seiner „Dissertation“ (Doktorvater: Erich Mielke). Auch das Hauptproblem war ihm schon damals bewußt: „Die Leitung solcher Firmen wird mit Strohmännern besetzt. Die wenigen vorliegenden Erfahrungen bei der Gründung von abgedeckten DDR-eigenen Firmen zeigen, daß in der Auswahl und Suche von Vertrauenspersonen [...] das schwierigste Problem besteht.“ Eine solche Vertrauensperson war Otto Scheurmann, Chef einer Westberliner Privatbank. Über Scheurmann fand Schalck dann seinen Mann in der Schweiz: Den Bankier Max Moser vom Zürcher Bankhaus Hugo Kahn & Co.

Bei Kahn & Co. richtete Moser die Nummernkonten 3732, 2373 und 1274 ein. Späher des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz werteten Kahn & Co. bald als „Hausbank für die in Liechtenstein und der Schweiz angesiedelten SED-abhängigen Firmen“. Als Moser Anfang der 80er Jahre zur Bank für Handel und Effekten (BHE) wechselte, nahm er das Schalck-Mandat dorthin mit. Die drei Konten bei Kahn & Co. wurden in die BHE-Konten 12.032, 12.033 und 12.034 umgewandelt und unter dem gemeinsamen Codewort „Metropol“ geführt. Zusammen mit den Konten 584 und 830 bei der Deutschen Handelsbank (DHB), der KoKo-Hausbank im heimischen Ostberlin, bildeten sie den sogenannten „disponiblen Parteifonds“ der SED. Über den Metropol-Kanal wurden die Gewinne ausländischer SED-Tarnfirmen nach Ostberlin geschleust; umgekehrt wurden über den Fonds verdeckt Bruderparteien und KP-Druckereien im Westen gesponsert. Die Metropol-Konten nutzte Schalck auch für seine teilweise undurchsichtigen Finanzoperationen mit bayerischen Metzgergrößen. So flossen Millionenbeträge an die Fleischerfirmen Moksel/ Krumke über Konto 12.032, „um den Absender nicht erkennen zu lassen“, wie die Berliner Kripo in einem Ermittlungsbericht notiert.

Liechtensteiner Firma als Eigentümerin der DKP-Parteizentrale

Doch der KoKo-Hausbanker Max Moser verwaltete in Zürich nicht nur diskret die Sparstrümpfe der KoKo- Schieber. Er schaffte auch eine wichtige Voraussetzung dafür, daß die Quellen im Westen überhaupt sprudeln konnten: Mit der Einrichtung einer ganzen Reihe von Briefkasten- Holdings in Liechtenstein. Über den Inhaber der Vaduzer Treuhandfirma Präsidialanstalt, Peter Ritter, dessen Name regelmäßig in internationalen Wirtschaftsaffären auftaucht, beschaffte Moser seinen Ostberliner Auftraggebern ihre Tarnfirmen: Congregatio, Hanseatic, Refinco, Unisped, Polyindustrie, Befimo, Monvey, und Hippokrates — sie bildeten quasi die Urzellen des Schalckschen Schattenreiches. Über diese Holdings hielten die Drahtzieher in Ostberlin ihre verdeckten Anteile an rund 160 Firmen in aller Welt. Zwar hatten Bonns Geheimdienste bald ausgetüftelt, daß hinter diesen Firmen Honeckers rote Socken steckten. Doch der definitive Beweis kam erst nach der Vereinigung, als die Bundeskasse ihre Ansprüche auf das KoKo-Erbe einklagte und Wirtschaftsprüfer im Auftrag der Treuhandanstalt ermittelten: „Herr Moser hat die verschiedenen Anstalten als Firmenmäntel von der Präsidial- Anstalt, Vaduz, besorgt und hält die Original-Zertifikate in den Depots 12.032, 12.033 und 12.034 der Bank für Handel und Effekten.“

Diese Tarnfirmen waren für alle Westgeschäfte gut. 1972 kaufte etwa der Hamburger Geschäftsmann Uwe Harms „als Bevollmächtigter des Schweizer Bankhauses Hugo Kahn“ und der Vaduzer Firma Hanseatic, wie der Verfassungsschutz seinerzeit registrierte, das Haus des früheren KP-Chefs Ernst Thälmann für die DKP auf. Der Vaduzer Firma Monument wiederum gehörten die DKP-Zentrale in Düsseldorf und die Wohnungen hoher DKP-Funktionäre. Die Unisped hielt das Kapital der Hamburger Spedition Ihle GmbH, deren Geschäftsführer Uwe Harms war — bis er 1987 in Hamburg unter ungeklärten Umständen ermordet aufgefunden wurde.

Nach dem wendebedingten Abgang seiner Ostberliner Stammkundschaft will Max Moser, so beteuert er im Gespräch mit der taz, alle von ihm verwalteten KoKo-Gelder „bis auf den letzten Rappen“ an die DDR- Staatskasse überwiesen haben. Private Konten hätten weder Herr noch Frau Schalck-Golodkowski noch Herr noch Frau Gutmann je bei ihm unterhalten. Bereits am 7. Dezember 1989, also kurz nach Schalcks Flucht in den Westen, hatte die Zürcher Bank in einem Fernschreiben an die Deutsche Außenhandelsbank in Ostberlin „auf ausdrückliche Veranlassung von Herrn Dr. Schalck erklärt, daß der Genannte keinerlei Ansprüche an irgendeinem bei uns geführten Depot oder Konto besitzt. Die gegenseitigen Geschäftsbeziehungen sind als aufgelöst zu betrachten.“ Bisher gibt die Aktenlage von Kripo und Treuhand Moser recht.

Hartnäckig halten sich dennoch Gerüchte, Schalck habe sich nach seiner Flucht in den ersten Dezembertagen 1989 kurz in der Schweiz aufgehalten, bevor er sich dann in Westberlin der Justiz stellte. Vorletzte Woche hat der KoKo-Auflöser Prof. Gerstenberger dies unter Berufung auf den Ostberliner Anwalt Vogel im Bonner Schalck-Ausschuß erneut behauptet. Das aber kann sich Schalcks gewesener Hausbankier „überhaupt nicht vorstellen. Der hätte ganz bestimmt“, weiß Max Moser sicher, „bei mir vorbeigeschaut.“

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