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EIN BESCHEIDENER VORSCHLAG Von Hans-Georg Behr

Unser Vordenker Edzard Reuter hat mal wieder gedacht. Vermutlich haben ihn die Gewerkschaften oder der Waigel geärgert, vielleicht hat er auch nur über Maastricht hinausgesehen. Jedenfalls entfuhr ihm: „Wer sagt denn, daß es immer heißen muß made in Germany? Es könnte eines Tages genausogut heißen made by Mercedes.“

Ja, warum denn nicht? Überall hören wir, daß es Zeit ist, von lieben Denkgewohnheiten Abschied zu nehmen. Haben wir bisher den Staat als vornehmsten Diener der Industrie gesehen, müssen wir uns auch damit abfinden, daß er von ihr eines Tages in den Ruhestand geschickt wird. Dabei hat er, zugegeben, eine Menge zu erledigen gehabt, von der Entsorgung (unnötig gewordene Arbeitnehmer, Müll usw.) angefangen. Auch hat er für die dem Firmenwohlstand nötige Ruhe gesorgt (obwohl dies Werksicherungsgruppen zweifellos billiger könnten) und durch die Rüstung für volle Auftragsbücher. War es nur der Jäger 90, daß er nun in Ungnade fiel? Hat er nicht jede Konkurrenz in Fünfneuland erfolgreich plattgemacht und alles Begehrenswerte folgsam apportiert? Ach, auch Schiller stammte aus Schwaben, und der stellte fest, was ein Mohr zu tun hat, wenn er seine Schuldigkeit getan hat.

Was also, wenn Mercedesthan (natürlich weltweit) über uns kommt? Besitzstandsgierig, wie wir Herrn Reuter zufolge sind, denken wir an Ausbildung, Arbeitslose, Krankenkassen, Stütze und Rente. Gut, die Ausbildung könnte Mercedes zwecknäher gestalten, und Betriebskrankenkassen gab's schließlich schon lange. Beim übrigen müssen wir uns, Waigel hin, Reuter her, demnächst ohnehin einschränken, und die entfallenden Gelder für die Bonner Lobby könnten ja sozialisiert werden.

Andererseits wird es ja mit Mercedes allein nicht getan sein. Wo bleibt VW, wo BMW, wo Hoechst, Krupp, Mannesmann? An die Rest-EG wollen wir gar nicht erst denken... Klar, der Kuchen muß verteilt werden, und wie, das können wir uns vorstellen (nein, nein, wir denken nicht an den Balkan oder die GUS). Diese Zukunft gab's ja in unseren Breiten schon einmal, doch an den Dreißigjährigen Krieg müssen wir bei unseren Raubrittern diesmal nicht denken. Die freie Marktwirtschaft als monopolare Weltreligion regelt solche Konflikte bekanntlich und friedlich an der Börse.

Ein paar Fragen bleiben: Werden wir bei der Neustrukturierung der Welt gefragt? (Wenigstens so scheinbar alle vier Jahre?) Und wird das Spielgeld, mit dem uns Mercedes, Nestlé, VW etc. bei Laune halten, nur wie ein Bon zum Kauf der entsprechenden Produkte dienen oder konvertibel sein? Wer wird unsere Papiere ausstellen? Auf welcher Deponie werden unsere überflüssigen Staatsdiener endgelagert? Werden sich die Klassenunterschiede zwischen Opel- und Mercedesbürgern verstärken, und welche Instanz verhütet, daß sich ein Mercedesianer heimlich einen Ford kauft?

Kleinkram, ich weiß. Wir sollten uns eher über den Schulterschluß zwischen Anarchie und Industrie freuen; er eröffnet ungeahnte Perspektiven. Lassen wir Edzard weiterdenken. Seit dem Ausfall von Herrhausen fehlt es uns diesbezüglich ohnehin an Perspektiven, und auf diesen Staat verzichten wir sowieso gerne.

(Dies ist ein verstecktes Übernahmeangebot. Die wirtschaftliche Situation des Blattes würde verbessert.)

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