Polizei über Dienst am Brandenburger Tor verärgert

■ Gewerkschaft über fehlendes Verkehrskonzept verärgert/ CDU verläßt Ausschuß, damit sich Grüne von Blockade distanzieren

Berlin. Nach Öffnung des Brandenburger Tores für den Bus- und Taxiverkehr hat die Polizei alle Hände voll zu tun. Gleich am Dienstag abend, nachdem die Polizei die Blockade der Fraktion Bündnis 90/Grüne beendete, indem sie die Abgeordneten wegtrug, versuchten Autofahrer, das Tor zu durchfahren. Selbst Lastwagenfahrer scheinen weder Respekt vor dem Denkmal noch vor dem Verkehrsschild »Durchfahrt verboten« zu haben. Die Brummis hätten das Langhans-Bauwerk ebenfalls passiert, berichtet Rita Keil, Verordnete im Bezirk Mitte.

Der taz gegenüber erklärten Autofahrer, daß sie die Verbotsschilder auf beiden Seiten des Tores zwar gesehen hätten, aber »einmal durch das Tor« wollten. In der Regel stoppte die Polizei die verkehrswidrigen Fahrten und wies auf die Straßenverkehrszeichen hin. Wer dennoch durchfährt, muß ein Strafmandat von 20 Mark bezahlen. Ein Koblenzer begründete die illegale Tour durchs Tor am gestrigen Vatertag einer Polizistin gegenüber so: »Ich hab' gehört, die Grünen hätten hier blockiert — und die Blockade ist doch vorbei?«

Die Ordnungshüter fühlen sich inzwischen als Büttel der Politik. Der Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Burkhard von Walsleben, bemängelt, daß die Polizei dafür herhalten müsse, daß den Politikern wieder einmal kein vernünftiges verkehrspolitisches Konzept gelungen sei. Die Folge sei, daß die Polizei täglich einen Einsatz am Brandenburger Tor planen und der Streifendienst ausgeweitet werden müsse.

Die Blockade des Brandenburger Tores durch die Fraktion Bündnis 90/ Grüne beschäftigt seit Mittwoch auch das Parlament. Aus Empörung über die »rechtswidrigen Vorfälle am Brandenburger Tor« verließen am Mittwoch die CDU-Vertreter die Sitzung der Enquetekommission »Verfassungsreform« des Abgeordnetenhauses. Die christdemokratischen Parlamentarier wollten nicht weiter über Verfassungsänderungen beraten, weil die Vorsitzende des Gremiums, die Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/ Grüne, Renate Künast, maßgeblich an der Verkehrsblockade teilgenommen hatte. Der CDU-Abgeordnete Hubert Rösler forderte zu Beginn der Sitzung Frau Künast in einer Erklärung auf, »sich umgehend von dem Verhalten am Brandenburger Tor zu distanzieren«. Bis zur Abgabe einer solchen Erklärung sehe sich die CDU außerstande, an Sitzungen unter der Leitung von Frau Künast teilzunehmen. Die Grünen-Politikerin gab die gewünschte Erklärung gestern nicht ab, da sie der Ansicht war, »friedlich und freudig Rechte wahrgenommen« zu haben, die allen Bürgern nach der Verfassung zustehen. Sie forderte statt dessen die CDU auf, zur konstruktiven Mitarbeit zurückzukehren.

Dieser Aufforderung schloß sich auch der Kommissionssprecher der SPD, Alexander Longolius, an, der die »Politpossen« der Grünen und die »überzogene Reaktion« der CDU gleichermaßen tadelte. Die Kommission habe den »überaus wichtigen Auftrag«, Vorschläge für Veränderungen der Berliner Verfassung zu machen. Dies könne nur im überparteilichen Zusammenwirken gelöst werden und dulde keinen Aufschub. Bei der CDU will man jedoch standhaft der Enquetekommission weiterhin fern bleiben. Diese muß allerdings, so der Verfassungsauftrag, ihre Arbeit noch in dieser Legislaturperiode vollenden.

Unbeeindruckt von dem Streit im Rathaus wollen Verkehrsinitiativen und die Fraktion Bündnis 90/ Grüne das Tor weiterhin blockieren: Jeden Tag von 17 bis 18 Uhr. Sie fordern die Verlegung der Busspur in die parallele Clara-Zetkin-Straße. Dirk Wildt/Dieter Rulff