piwik no script img

Neuer Mietspiegel für ganz Berlin

■ Die Mieten erhöhten sich im letzten Jahr nur um wenige Prozent — der Grund: Die Mieter ziehen kaum noch um/ Krach zwischen dem Bausenator, dem Mieterverein und den Vermieterverbänden

Berlin. Der neue Mietspiegel für ganz Berlin wurde am Mittwoch von Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) vorgestellt und ist damit in Kraft. Im Mietspiegel, der für den Altbau und für den freifinanzierten Neubau gilt, ist die ortsübliche Vergleichsmiete ausgewiesen, die bei Mieterhöhungen und neuen Mietverträgen eine Rolle spielt. Der neue Mietspiegel wurde allerdings — im Gegensatz zu seinen Vorgängern — vom Senator per Verordnung festgesetzt und nicht mit den Fachverbänden einvernehmlich beschlossen. Der Grund: Sämtliche Vermieterverbände, auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften, hatten die Verhandlungen vorzeitig verlassen. Sie konnten sich mit dem Mieterverein und dem Bausenator nicht einigen, wie die Spannbreite der ortsüblichen Miete zu bewerten sei. Bei jeder Kategorie im Mietspiegel gibt es eine Spannbreite von ungefähr einer Mark pro Quadratmeter nach oben und unten, in der sich der Ausstattungsstandard der Wohnung widerspiegelt.

Nagel hofft trotzdem, daß dieser Mietspiegel vor Gericht die gleiche Akzeptanz erfahren werde wie sein Vorgänger. Ob das geschieht, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Der Verband der städtischen, berlin- brandenburgischen Wohnungsunternehmen empfahl seinen Mitgliedern eher zähneknirschend, den Mietspiegel anzuwenden, beklagte jedoch, daß die dort ausgewiesenen Mieten nicht kostendeckend seien. Der Verband der Haus- und Grundbesitzer sieht den Mietspiegel nur als »grobe Orientierungshilfe«. Der Mieterverein wertete das Verhalten der Vermieterverbände als »Kampfansage an die Mieter«.

Nach dem neuen Mietspiegel sind die Altbaumieten im Schnitt jährlich um 4,5 Prozent gestiegen, die Neubaumieten um 1,9 Prozent. Bei einzelnen Kategorien — etwa bei großen, gut ausgestatteten Altbauwohnungen oder kleinen Neubauwohnungen — stiegen die Mieten sogar um bis zu 18 Prozent im Jahr. Die Spitzenmieten im Neubau liegen bei 29,28 Mark pro Quadratmeter (siehe Grafik). Die Werte blieben relativ niedrig, weil alle Mieten erfaßt wurden und nicht nur die Neuvermietungen der letzten drei Jahre, wie in anderen Städten üblich. Das sind die Mieten der 413.000 Altbauwohnungen und der 84.000 freifinanzierten Neubauwohnungen in West-Berlin sowie die Mieten einiger hundert Wohnungen in Ost-Berlin, die nach dem 3. Oktober 1990 freifinanziert erbaut wurden und somit nicht preisgebunden sind. Nicht berücksichtigt wurden die — preisgebundenen — Plattenbauten und Altbauten in Ost- Berlin sowie die Sozialwohnungen in West-Berlin. Hauptgrund für die geringen Steigerungen sei, daß mit der Fluktuation der Anteil der Neuabschlüsse, die »deutlich höher« seien als Mieterhöhungen im Bestand, gesunken sei, sagte Nagel. Der Senator will sich im Bundesrat dafür einsetzen, daß Berlin in eine höhere Wohngeldklasse eingeordnet wird.

Der Mietspiegel kann vom Vermieter als Begründung für eine Mieterhöhung herangezogen werden. Eine zulässige Mieterhöhung darf dann nur so hoch ausfallen, wie es der entsprechende Wert im Mietspiegel zuläßt, maximal aber fünf Prozent im Jahr bei Altbauten oder 30 Prozent in drei Jahren bei Neubauten. Bei einer Neuvermietung darf die Miete nicht mehr als 20 Prozent über dem Wert im Mietspiegel liegen, in begründeten Einzelfällen um 50 Prozent darüber. Allerdings ist der Vermieter nicht verpflichtet, den Mietspiegel anzuwenden. Alternativ dazu kann er auch drei Vergleichswohnungen benennen oder ein Sachverständigengutachten bestellen. Nagel sagte, die Berliner Vermieter hätten in den letzten Jahren bei Altbauwohnungen bis zum Baujahr 1949 in 65 Prozent aller Fälle Mieterhöhungen mit dem Mietspiegel begründet. Bei Neubauwohnungen wurden, je nach Baujahr, zwischen 18 und 43 Prozent aller Mieterhöhungsverlangen mit dem Mietspiegel begründet.

Der Mietspiegel wird allen Westberliner Haushalten zwischen dem 17. und dem 25. Juni diesen Jahres per Postwurfsendung zugestellt. Ansonsten bekommt man den Mietspiegel bei den Beratungsstellen der Mieter- und Vermieterverbände, bei der Verbraucherzentrale, den Bezirksämtern und der Senatsbauverwaltung. Eva Schweitzer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen