: Paragraph 218
■ betr.: "Verrat an den Frauen", taz vom 14.5., und "Ich mache es mir nicht so leicht", taz vom 22.5.92, und "Bei der Beratung gibt's kein Rütteln mehr", taz vom 21.5.92
betr.: „Verrat an den Frauen“
von Alice Schwarzer, taz vom 14.5., und „Ich mache es mir nicht so leicht“ von Christine Schenk,
taz vom 22.5.92
Ich kann Frau Schwarzers vernünftigen Argumenten zur aktuellen Paragraph-218-Problematik zu großen Teilen folgen. Es ist erfreulich, daß sie doch differenziertere Stellungnahmen abgeben kann. Nachdem sie durch verschiedene Talkshows „tingelte“, wo das Argumentationsniveau verständlicherweise niedriger angesetzt werden muß, hatte ich das schon gar nicht mehr erwartet. Nur in einem ist Frau Schwarzer die alte geblieben. Sie muß immer noch „böse linke Frauen“ ausgucken und nennt diese jetzt sogar in patriarchalischer Manier „Fundamentalistinnen“. So arbeitet sie also immer noch mit Vergröberungen und spielt sich als Schiedsrichterin über frauenpolitische Positionen auf. Nun ja, vielleicht muß sie das, wenn sie ihre Zeitung weiterhin absetzen will. Und was das angeht: Selbst wenn wir aus 'Emma‘ nichts mehr lernen können, wir sind dafür, daß sie weiterbesteht.
Daß Alice Schwarzers Statements im obigen Artikel differenzierter sind als sonst, dabei bleiben wir! Allerdings, das vollständige Panorama zum Problemkomplex „Paragraph 218 heute“ — und eben auch aus ostdeutscher Sicht — gibt Christine Schenk vom Unabhängigen Frauenbund/Bündnis 90/Grüne in ihrem Artikel. Sie macht uns zudem nicht den Eindruck, eine Fundamentalistin zu sein. Ursula Linnhoff,
Frauen der Welt, Köln
betr.: „Bei der Beratung gibt's kein Rütteln mehr“, Interview mit Uta Würfel, FDP-MDB, zum Abtreibungskompromiß, taz vom 21.5.92
Mensch muß sich einmal im genauen Wortlaut anschauen, wie Frau Würfel ihren Kompromiß einordnet: „Ich mache es nicht mehr länger mit, daß immer wieder in Frage gestellt wird, daß es sich dabei um ungeborenes Leben handelt, und zwar um Leben von Anfang an. Ich habe wirklich keine Beziehung dazu, wenn Frauen und Kolleginnen und Kollegen einfach leugnen, daß es sich bei einer Abtreibung um eine Tötungstat handelt. Ich bin so froh über diesen gelungenen Kompromiß bei der Beratungsregelung, daß ich nun den nicht mehr in Frage stellen lasse.“ Nun kann mensch die Meinung haben, daß eine Abtreibung eine Tötung sei. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen — außer daß es nicht stimmt. Der Abgang einer frisch befruchteten Eizelle oder die Abtreibung eines acht Wochen alten Embryos ist allenfalls mit dem Abschneiden eines Salatkopfes im Garten, und zwar von Anfang an, aber keinesfalls mit der Ermordung eines Säuglings oder Kleinkindes gleichzusetzen. Ist es denn so schwierig zu verstehen, daß zwischen der Befruchtung und der Geburt ein neunmonatiger Entwicklungsprozeß mit nicht nur quantitaven, sondern auch Hunderten von verwobenen und miteinander Hand in Hand gehenden qualitativen Veränderungen liegt, daß Beginn (Befruchtung) und vorläufiges Ende (Geburt) der Entwicklung nicht identisch sind? Die Embryonen vieler Säugetiere können von ihrer Morphologie her miteinander verwechselt werden, ein menschlicher Embryo sollte nicht mit einem geborenen oder kurz vor der Geburt stehenden Säugling verwechselt werden. Frau Würfel nimmt in dieser alles entscheidenden Frage den Standpunkt der religiösen Fundamentalistinnen ein, mit dem Unterschied, daß diese in sich konsequent sind und von Mord sprechen und auch Abtreibungen mit sozialer (Sparen von Pampers) und eugenischer („lebensunwertes Leben“) Indikation folgerichtig ablehnen. Frau Würfel ist dagegen bereit, das, was sie als Tötungen erkannt haben will, zum Gegenstand von Kompromissen zu machen. Nun ist mensch ja von der Partei der Raser, Steuerhinterzieher und freiheitlichen Waffendealer einiges gewöhnt, aber die Begründung ihrer Haltung im Abtreibungskompromiß stellt da noch eine Steigerung dar. Der einzige Kompromiß, den es geben kann, liegt in der Bestimmung des Zeitpunktes, wann eine Abtreibung in eine Tötung übergeht. Die genaue Bestimmung eines Zeitpunktes ist weder möglich noch nötig. [...] Amelie Müller, Bielefeld
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