Blaumeiers im Museum

■ Das neueste Hauptstück des Projektes für Kunst und Psychiatrie

Zu atmen gibt's an diesem Dienstag bloß noch heiße Stickluft im vollen Saal des Ernst-Waldau- Theaters; es riecht wie gekochter Alkohol unter der Bettdecke (leider von Chandler); auf der Bühne aber vollzieht sich ganz unbeeindruckt „Das unglaubliche Verschwinden des Museumswärters Herbert K. aus B.“ (zum Glück vom Blaumeier-Atelier). Gleich anfangs erleben wir, sobald das Bilderzeugs, noch eingewickelt, hereingeschafft ist, das lustigste Auspacken, ein Raschel-Tutti, was einen aber von der zwanghaft ersten Frage nicht erlöst: Welche sind die Betreuer?

Daß man's nicht wissen kann, ist das Schöne an jedem Theater und hier nur besonders augenfällig: Da strolchen zahllose Figuren an leeren Bilderrahmen vorbei; ein Kenner deklamiert in verschollener Sprache; drei Putzfrauen haben ihre liebe Not; und in das regulierte Spiel mischen sich unerkannt allerlei Macken und Zwangshandlungen, dazu, zum Verwechseln perfekt, die Schrullenmechanik der Beteiligten.

Das neue Stück nach „Jakobs Krönung“ ist, auch weil das Blaumeier-Atelier eigentlich seinen Umbau erwartet hat, bescheidener ausgefallen und eher ein Kammerspiel geworden. Aber schon allein die neue Maskenkollektion der Blaumeiers bewegt unsre Seelchen; auch hindern uns die Masken heilsam am Diagnostizieren. In all den Rollen gehen die Geschichten der Träger, auch die Krankengeschichten, restlos auf; und wir sehn nur noch Typen: den spitzmäuligen Pfiffikus, die glubschäugige Schlawinerin, den pingeligen Wärter. Alle haben kleine Eigenheiten, an denen man sie erkennt, bloß einmal, wenn eine geschlagene halbe Stunde lang bloß Masken über die Bühne defilieren, wird ihre minimalistische Hinterhältigkeit doch ein wenig langweilig.

Aber schon sieht man Gesichter, nicht minder verschlossen; und jede Voyeurslust wird genährt und zugleich beschämt von der aufgeregten Bange, die sich bald dennoch drauf zeigt. Und wenn wir mitkriegen, wie Petra Husher ihr grandioses Coming-Out als Rock-Lady feiert, wie Oliver Flügge als Kommissar einen schwer verzwickten Fall erledigt, wie Gisela Meyer und gar Minna Quast als Putzfrauen aufleben in unserer Begeisterung, können wir Narren uns glatt versöhnt fühlen. schak