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Indonesiens General bittet zur Wahl

Unter den politischen Repressionen der Militärdiktatur hat die Opposition kaum eine Chance/ In Ermangelung eines Nachfolgers steht eine weitere Amtszeit von Präsident Suharto bevor/ Menschenrechtsverletzungen stören internationale Geldgeber nicht  ■ Von Ricarda Alt

Berlin (taz) — In Indonesien, dem größten Staat der südostasiatischen Gemeinschaft Asean, ist der Ausgang der heutigen Parlamentswahlen, für die drei Parteien kandidieren dürfen, von vornherein klar. Nach dem 9. Juni wird die regierende Golkar-Gruppierung wieder oben stehen, und der 71jährige Präsident wird weiter die Politik des bevölkerungsreichen Inselstaates bestimmen. Dennoch ist die Position der vielleicht dienstältesten Militärdiktatur der Welt nicht so unangefochten, wie es der Öffentlichkeit gern vorgegaukelt wird.

Damit die „Oppositionsparteien“ im auf 25 Tage beschränkten Wahlkampf nicht allzu laut werden, hat die nationale Wahlkommission besonders strenge Bestimmungen erlassen. Danach sind nicht nur die Autokorsos, sondern auch Poster mit den Konterfeis von politischen Führern verboten. Erlaubt ist Wahlkampf im staatlichen Rundfunk und Fernsehen, wobei jeder Bericht von der Wahlkampfkommission zugelassen werden muß. Doch damit konnte nicht verhindert werden, daß es am letzten Wahlkampftag Anfang Juni verschiedentlich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen oppositionellen Demonstranten und Anhängern des Regierungsblocks Golkar kam.

Aus Protest darüber, ihre Sympathie für die oppositionelle Demokratische Partei Indonesiens (PDI) nicht wie gewohnt zum Ausdruck bringen zu dürfen, trugen Jugendliche und Studenten Ende Mai 1992 auf einer Demonstration in Yogjakarta die Demokratie in einem Sarg zu Grabe. Weißes Tuch ist das Kennzeichen dieser Bewegung, die aus Mangel an echten politischen Alternativen zum herrschenden Parteiensystem ihren eigenen Weg „wählt“: Golput — die „Weiße Gruppe“, die „Partei der Nichtwähler“.

Kampagne zum Wahlboykott

Noch 1987 herrschte in Indonesien Wahlpflicht. Wer sein Stimmrecht nicht ausübte, konnte ins Gefängnis wandern. Heute macht Golput eine Kampagne für den Wahlboykott. Der Wahlprotest kommt vor allem von Jugendlichen, von Intellektuellen und aus städtischen Gebieten. Am 2. Mai veröffentlichte ein „Forum für Volkssouveränität“ eine Erklärung, in der sich auch renommierte Persönlichkeiten, darunter ehemalige Minister, zum Urnenboykott bekannten. Wahlprognostiker errechneten im letzten Jahr zweistellige Prozentzahlen für die „Weißen“ im Großraum der Hauptstadt Jakarta.

Wen gibt es zu wählen für die 400 Abgeordnetensitze im Inselstaat, denen sich noch 100 ernannte Militärs zur Komplettierung des Parlaments hinzugesellen werden? „Golongan Karya“ oder Golkar, das Sprachrohr der Regierung, konnte 1987 knapp 73 Prozent der WählerInnenstimmen verbuchen. Golkar ist weniger eine Partei als vielmehr ein Zusammenschluß funktionaler Gruppen wie Gewerkschaften, Berufs- und Frauenverbände.

Das „Feigenblatt der Demokratie“, so sehen es die Kritiker, halten aufrecht: die islamische „Vereinigte Entwicklunspartei“ PPP, die 1987 16 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte, und die erwähnte PDI (1987 rund elf Prozent). Beide Parteien glänzen zwischen den Wahlen durch internes Organisationschaos und desolaten Führungsstil. Während Golkar überall präsent ist, ist es PPP und PDI nicht erlaubt, in Kleinstädten und auf dem Land Parteiorganisationen zu gründen. So operieren sie an der Leine der Regierung.

Der Präsident wird erst im nächsten Jahr von der Volksversammlung gewählt. Lange Zeit ließ General Suharto die Öffentlichkeit darüber spekulieren, ob er ein weiteres Mal für das höchste Amt zur Verfügung stehen wolle. Auf alle Fälle haben ihn Golkar und PPP als ihren Kandidaten vorgeschlagen. Bei der PDI ist Innenminister Rudini, der von der Wochenzeitschrift 'Editor‘ jüngst zum „Mann des Jahres“ gekürt wurde, im Gespräch. Auch der Name von General Try Sudtrisno wird gehandelt, doch ein wirklicher Kronprinz scheint nicht in Sicht.

Wer nach dem charismatischen Staatsgründer Sukarno und ihm selbst der dritte Präsident der Republik wird, jedenfalls in den Augen Suhartos, unterschiedlichsten Ansprüchen genügen müssen. Es gilt, das Familienimperium Suhartos zu sichern, die in den letzten Jahren mehr auf Distanz gehenden Militärs zu befriedigen und auch den Vorstellungen der Golkar-Bürokratie zu entsprechen. Im Gerangel um die Nachfolge kommt deshalb der ebenfalls 1993 stattfindenden Wahl des Vizepräsidenten eine besondere Schlüsselstellung zu. 1988 machte Golkar mit ihrem Parteichef Sudharmano das Rennen. Neben den genannten möglichen Nachfolgern Sutrisno und Rudini wird noch ein weiterer Name gehandelt: Arismoendar Wismojo, der als Chef der strategischen armeereserve Kostrad zumindest Teilen des Militärs zusagen könnte und als Schwager des Präsidenten auch in Dynastie-Angelegenheiten zupaß käme.

Korruption und Filz gefährden Suharto

Trotz immer lauter werdender Kritik am wirtschaftlichen Filz des Suharto-Clans mag das Familienbusineß zwar die Wahlen nicht entscheidend beeinflussen, könnte aber das internationale Image ankratzen. So geschehen bereits vor sechs Jahren, als ein australischer Journalist der Weltöffentlichkeit in einem Artikel „Nach Marcos nun die Suharto-Milliarden“ berichtete, daß Indonesien für seine Herrscher der gleiche Selbstbedienungsladen ist, wie es die Marcos-Philippinen waren. Um ein gutes internationales Image ist Suharto jedoch ständig bemüht.

So präsentiert sich der Inselstaat nach außen mit seinem gewandten und auf internationalem Parkett erfahrenen Außenminister Ali Alatas an der Spitze als Friedensstifter. Der im letzten Oktober geschlossene Friedensvertrag zu Kambodscha ist nicht zuletzt tatkräftiger indonesischer Unterstützung zu verdanken. Derzeit steht Indonesien auch an der Spitze der Blockfreien und wird im Herbst, wenn die Blockfreien-Konferenz in Jakarta stattfinden wird, sicherlich auf seine traditionell verbriefte Führungsrolle in dieser Bewegung pochen.

Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung

Die vielen Blutspritzer, die die weiße indonesische Weste bekleckern, werden selten von der Außenwelt wahrgenommen. So blieben die Hunderte, ja vielleicht Tausende von Toten, die in den vergangenen Jahren in Nord-Sumatra den Auseinandersetzungen zwischen Militär und der Bewegung „Freies Aceh“ zum Opfer fielen, von der Weltöffentlichkeit unbeachtet.

Mehr Aufmerksamkeit erregte das Massaker von Dili/Ost-Timor im November 1991. Dutzende von Menschen wurden kaltblütig ermordet, Hunderte verletzt, nachdem die Armee das Feuer auf einen Trauerzug auf einem Friedhof eröffnet hatte. Unter internationalem Druck setzte Suharto daraufhin eine Untersuchungskommission ein, die das Verhalten der Armee in nie dagewesenem Maße kritisierte, und entließ mehrere hohe Offiziere.

Um sich und sein Land wieder ins rechte Licht zu rücken und der Welt Indonesiens nationale Souveränität zu demonstrieren, mogelte sich Suharto von der internationalen Anklagebank weg, indem er in die Offensive ging. Im März erhielt die niederländische Regierung einen Brief aus Jakarta, in dem sie aufgefordert wurde, ihre staatliche Entwicklungshilfe sofort einzustellen und ihren Vorsitz im internationalen Geldgeber-Konsortium IGGI (Inter Governmental Group on Indonesia) niederzulegen. Begründung: die Indonesische Regierung wehre sich entschieden dagegen, daß die ehemalige Kolonialmacht ihre finanzielle Unterstützung an politische Bedingungen knüpfe.

Auf das „Windmühlenland“, wie die ehemalige Kolonialmacht in Indonesien genannt wird, enfallen aber keine 2 Prozent der 4,7 Milliarden Dollar, die IGGI 1991/92 Indonesien gewährte. Die Japaner waren hingegen mit knapp 28 Prozent und die Weltbank mit 34 Prozent dabei. Letztere hat bereits eine neue Geldgebergruppe gebildet — ohne die Niederlande. Wirtschaftlichen Schaden wird also weniger die indonesische Regierung nehmen als zahlreiche nichtstaatliche Organisationen (NGOs). Denn auch die zum Teil staatlichen Gelder privater niederländischer Sponsoren-Organisationen wie Novib oder Hivos dürfen nicht mehr nach Indonesien fließen. Beispielsweise erhält die bekannte Rechtshilfeorganisation LBH, die in zahlreichen Landkonflikten zugunsten der Betroffenen von sich reden machte, achtzig Prozent ihrer Gelder aus Holland. Mit dem Entzug der finanziellen Grundlage will die Regierung gerade solche Gruppen mundtot machen, die zu sehr von „westlichen Werten“ bezüglich Demokratie und Menschenrechte beeinflußt werden.

Der Schlag gegen die Niederlande und damit auch gegen die dünne Szene der engagierten Gruppen war der letzte einer langen Reihe vor den Wahlen — klug unter dem Deckmantel nationaler Gefühle getarnt. Bleibt zu hoffen, daß die „weißen“ Nichtwähler eine Stimme finden, mit der sie sprechen können.

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