: 1.127 und ein Tag verschleppt
■ Nach dreijähriger Gefangenschaft sollten die beiden letzten westlichen Geiseln im Libanon gestern freikommen. Doch unerwartet verzögerten nicht näher genannte "Schwierigkeiten" die Übergabe. ...
1.127 und ein Tag verschleppt Nach dreijähriger Gefangenschaft sollten die beiden letzten westlichen Geiseln im Libanon gestern freikommen. Doch unerwartet verzögerten nicht näher genannte „Schwierigkeiten“ die Übergabe. Ihre Freilassung wurde auf den heutigen Mittwoch verschoben.
Das Warten auf ihre Freilassung nach drei Jahren Gefangenschaft im Libanon wurde zum Nervenkrieg. Zunächst hatte die syrische Nachrichtenagentur 'SANA‘ gemeldet, die beiden deutschen Geiseln Heinrich Strübig und Thomas Kemptner seien gestern vormittag in Beirut vom Bonner Staatsminister Bernd Schmidbauer in Empfang genommen worden. Doch kurz darauf folgte das Dementi, 'SANA‘ korrigierte den ersten Bericht. Nun hieß es, die beiden befänden sich noch in der Obhut eines gemeinsamen libanesisch-syrischen Komitees. Die endgültige Übergabe der Geiseln wurde dann im Laufe des Nachmittags erwartet.
Doch kurz vor 16.00 Uhr hieß es dann übereinstimmend aus libanesischen und deutschen Quellen, die Geiselübergabe sei auf Mittwoch verschoben worden. Zur Begründung wurden nicht näher erklärte „Schwierigkeiten" angeführt.
Am Vorabend waren der 51jährige Strübig und der 30jährige Kemptner der Freiheit schon einen Schritt näher gekommen. Ihre Entführer hatten sie einer gemeinsamen Patrouille von syrischen Militärs und libanesischer Polizei übergeben. Die Nacht verbrachten die beiden im Hauptquartier des syrischen militärischen Geheimdienstes, das sich in unmittelbarer Nähe der Residenz des libanesischen Staatspräsidenten Elias Hrawi befindet. In Hrawis Beiruter Residenz hätte gestern die feierliche Übergabe im Beisein des UNO-Sonderbeauftragten Giandomenico Picco stattfinden sollen.
In einem am Montag abend veröffentlichten Kommunique der „Mudschaheddin für die Freiheit“, in deren Hand sich die Geiseln drei Jahre lang befanden, hieß es, an die Freilassung seien „zusätzliche Garantien und Vereinbarungen geknüpft“. Regierungssprecher Dieter Vogel wies Behauptungen zurück, daß im Zusammenhang mit der Freilassung der Geiseln Zusagen gemacht worden seien. „Es gab keinen Handel", hieß es auch aus dem Kanzleramt. Dagegen berichtete der Privatsender RTL plus, die Bundesrepublik zahle für die Freilassung der beiden Geiseln 20 Millionen Mark an die libanesische Regierung. Diese gebe das Lösegeld dann an die Entführer, die pro-iranische Hizb-Allah, weiter. Außerdem soll Schmidbauer laut RTL plus den Entführern zugesichert haben, daß die in Deutschland inhaftierten Hamadi-Brüder freigelassen werden. Vogel wies beides zurück und betonte, auch an die iranische Seite habe es keine Zusagen aus Bonn gegeben. Auch Bundesaußenminister Klaus Kinkel (FDP) beteuerte: „Wir haben uns in keiner Weise irgendwo erpressen lassen. Wir haben keinerlei Zusagen gemacht, und es sind auch keine finanziellen Mittel zugesagt worden oder geflossen.“ Über Hafterleichterungen für die in Deutschland einsitzenden Brüder Abbas und Mohammed Hamadi könne allerdings „durchaus nachgedacht“ werden.
Zuständig für Zusammenlegung oder Hafterleichterungen sind die Landesjustizverwaltungen. Für das hessische Justizministerium sind Hafterleichterungen oder eine Zusammenlegung der im Saarland und in Hessen inhaftierten Hamadi-Brüder „kein Thema“. Die Sprecherin des hessischen Justizministeriums teilte mit, es läge noch keine entsprechende Anfrage der Bundesregierung vor.
US-Präsident Bush erklärte, die Freilassung der beiden Deutschen werde ein großes „Hemmnis" für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Iran und den USA beseitigen. Wie der EG-Sprecher Joao Vale de Almeida in Brüssel erklärte, werde nach der Freilassung der Geiseln der Weg frei für die Wiederaufnahme der europäischen Finanzhilfe für den Libanon. afp/ap/dpa/taz
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