KOMMENTAR
: Freie Hand gegen Volksvertreter?

■ In Italien stehen die Todesstrafe und die parlamentarische Immunität zur Debatte

Freie Hand gegen Volksvertreter? In Italien stehen die Todesstrafe und die parlamentarische Immunität zur Debatte

Daß Greueltaten spektakuläre Vorschläge zu deren künftiger Verhinderung auslösen, ist nichts Neues. Insofern könnte man die Initiative der italienischen Neofaschisten zur Einführung der Todesstrafe für Mafia-Bosse getrost zu den Akten legen. Zumal man der Bosse kaum einmal habhaft wird oder sie der Justiz sowieso immer wieder entkommen, bevor es ernst wird.

Explosiv wird die Sache derzeit jedoch aus zwei Gründen: erstens weil die Todesstrafe über die Hintertür — das Kriegsrecht — eingeführt werden soll; zweitens weil gleichzeitig eine andere wichtige Frage diskutiert wird: die Aufhebung der Immunität für Abgeordnete.

Die Debatte über den Status der Unberührbarkeit von Parlamentariern, die in Italien losgetreten wurde, ist in allen demokratischen Ländern überfällig. Zwar war die Immunität ganz sicher historisch ein Sieg über den Obrigkeitsstaat: Die Exekutive sollte die Vertreter des Volkes auf keine Weise von ihrer gesetzgeberischen Tätigkeit abhalten können — es sei denn, die Volksvertretung beschließt eine Aufhebung dieses Status. Mittlerweile jedoch ist die Immunität vielerorts eher zum Schutzschild für Gauner und Dunkelmänner verkommen, die ihren Status zur Spurenverwischung oder zur Warnung oder Absicherung ihrer Kumpane nutzen. Insofern könnte die Abschaffung dieses Privilegs durchaus einen besseren Zugriff auf Mauschler, Filzer und Mafia-Seilschaften erlauben.

Explosiv wird diese Diskussion jedoch in dem Moment, wo sich gleichzeitig eine breite Volksmeinung für die Aufgabe anderer demokratischer Prinzipien entwickelt. So wurden in Italien soeben, unter heftiger Zustimmung der Bevölkerung, zahlreiche prozessuale Grundrechte abgeschafft. Die Polizei darf fortan Personen ohne Richtererlaß für lange Zeit festnehmen. Und schon wird die Einführung der Todesstrafe ernsthaft diskutiert. Daß in einer solchen Situation die fehlende Immunität für die gesetzgebende Versammlung auch zu einem Instrument der Einschüchterung durch Polizei und Justiz werden kann, ist unschwer auszudenken.

Natürlich wissen dies auch die Initiatoren der Debatte um die Beseitigung der Immunität. Daß sie, allesamt erprobte Demokraten, dennoch bei ihrer Forderung bleiben, zeigt nur, wie weit das politische System Italiens heruntergekommen sein muß, wenn man eine „Moralisierung“ der Politik nur noch dadurch herstellen kann, daß man die vom Volk gewählten Repräsentanten unter direkte Strafbedrohung stellt. Werner Raith, Rom