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Rot-Grün auf dem Weg zum Expo-Schwindel

Hannover (taz) — Einstimmig hat gestern endlich auch der niedersächsische Landtag die in Hannover geplante Expo 2000 begrüßt. Auch die Abgeordneten der Grünen hoben ihren Arm erstmals für „die einmalige Chance zum weltweiten Dialog“, als die der Expo-Zirkus mit seinen 30 Millionen Besuchern offiziell gehandelt wird. Mit der rot-grünen „Koalitionsdisziplin“ und dem Ergebnis der Expo-Abstimmung in Hannover begründeten sie ihren Sinneswandel.

Zusammen mit ihren Landtagskollegen haben die Grünen dabei auch ihre eigene Niederlage, „das positive Ergebnis“ jener „Bürgerbefragung zu Expo begrüßt“. Im Hintergrund allerdings bahnt sich nach der Bekanntgabe des Pro-Expo-Ergebnisses ein klassischer Wahlbetrug an den Hannoveranern ab. Das Expo-Konzept, für das die Bürger Hannovers mit 51,5 zu 48,5Prozent votiert hatten, ist allen Zusicherungen des Landes zum Trotz nicht mehr verbindlich. Es steht in den Verhandlungen zwischen Land und Bund zur Disposition.

Eine privat finanzierte Expo sei mit ihm nicht machbar, hatte Ministerpräsident Gerhard Schröder stets verkündet. In der Pressestelle des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es dagegen, Jürgen Möllemann würde am 15.Juli einen Pro-Expo- Vorschlag ins Bundeskabinett einbringen, der eine weitgehend private Ausrichtung beinhalte. Auch Niedersachsen habe diesem Vorschlag im Grundsatz zugestimmt. Geplant sei, so die Auskunft des Hauses Möllemann, nicht mehr nur eine, sondern zwei Expo-Betreiber-Gesellschaften zu gründen. Die eine überwiegend private Gesellschaft solle für die Erschließung des Expo-Geländes und die Expo-Bauten zuständig sein, die zweite von Land, Bund und Stadt getragene für den eigentlichen Betrieb der Veranstaltung. Folgt man dem bisherigen Konzept der Landesregierung, so würde die private Gesellschaft allerdings die wichtigere sein: Ausgaben von 2,8 Milliarden für Baumaßnahmen, die die privaten Betreiber dann über Mieten und Verkäufe wieder hereinzuholen hätten, sind in dem Konzept vorgesehen. Für den eigentlichen Betriebsbereich ist nur eine Milliarde veranschlagt. Auch Schröder wollte gestern die Schaffung von zwei getrennten Expo-Gesellschaften nicht ausschließen. Er glaubt, daß eine Gesellschaft auch ohne Beteiligung von Bund und Land auskommen könnte. Bisher hatte er die Idee der privaten Expo mit dem Titel „Disneyland-Ausstellung“ belegt. Schröder schließt inzwischen auch nicht mehr aus, daß an die Stelle einer direkten Beteiligung des Bundes an den finanziellen Risiken der Expo auch eine Bürgschaft des Bundes treten könnte. Als „Knackpunkt“ sieht er die Finanzierung der Nahverkehrslinien zum Expo-Gelände, hier soll der Bund noch 1,9 Mia. Mark zusagen. Jürgen Voges

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