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DIE KLEINE MEDIENPRAXIS — FRAGEN SIE FRAU DR. MONIKA

Jetzt haben wir sie also, die Hölle in Beirut, exklusiv im RTLplus-Frühstücksfernsehen. Nach der Punica-Oase, Delight-Fertigmenüs und Müller-Milch die tägliche Serie über Angst, Folter, Qualen und Hunger in der Geiselhaft. Strübig und Kemptner packen aus. Natürlich nicht mehr als fünf Minuten täglich, denn die teuer bezahlte Serie muß genügend Folgen hergeben. Passend dazu das Heft zum Film — das Geisel-Folterprotokoll des 'Spiegel‘ — ebenfalls als Serie. Jeden Montag neu. So muß es sein! Endlich hat es mal einer kapiert, daß es so nicht mehr weitergehen kann. Ständig diese Reporter- Pulks bei wichtigen Ereignissen. Immer dieses unerträgliche Gedränge und Gerangel um Bilder und Interviews. Und was kommt dabei heraus? Die gleichen Themen auf 50 Kanälen. Der geplagte Zuschauer kann sich nicht mehr entscheiden, was er nun gucken soll, und zappt sich mit seiner Fernbedienung durch alle Programme. Die gesamte Fernsehforschung kommt ins Schlingern, denn was bedeuten bei solch einem Verhalten noch die Einschaltquoten? Nach einem Sturm der Entrüstung über den RTL-Coup haben sich jetzt alle Fernsehanstalten in einer bisher einmaligen konzertierten Aktion zusammengesetzt und für klare Verhältnisse gesorgt. In nächtelangen Verhandlungen sollen bereits die ersten Berichtsgebiete verteilt worden sein. Anfangs sollen ja noch einige Sender Bedenken geäußert haben, wie es denn dann mit der Presse- und Informationsfreiheit bestellt sei. Aber da es mit diesem Grundrecht sowieso nicht mehr allzuweit her ist, haben sie sich dann doch geeinigt. Was bedeutet schon dieses antiquierte Recht gegenüber exklusiven Arbeitsbedingungen, einem klaren Senderprofil und den dann hoffentlich wieder aussagekräftigen Einschaltquoten?

Irgend jemand muß zu guter Letzt doch noch Zweifel an dieser Neuregelung der Informationspolitik gehabt haben, denn gestern flatterte mir ein Papier mit Auszügen aus dem bisher noch geheimen Protokoll ins Haus. Danach hat die Tagesschau die Exklusivrechte für den Bereich Gewerkschaften bekommen. Heute hat sich den Bürgerkrieg in Jugoslawien gesichert, Spiegel-TV hat sich sämtliche Stasi-Opfer unter den Nagel gerissen, Akut soll das Monopol auf Hungerkatastrophen haben, Sat.1 hat sich mit seinen guten Beziehungen zu Frau Schwaetzer die Wohnungspolitik zugeschanzt, und Pro7 hat das Wetter bekommen. Nur die Bonner Berichterstattung wollte keiner haben. Wie soll man denn bei der Politikverdrossenheit der ZuschauerInnen auch nur eine Sekunde Werbung vor oder hinter den allseits gescholtenen und verschmähten Volksvertretern verkaufen? Das hat natürlich in Bonn eingeschlagen wie eine Bombe und eine Sitzung des Krisenstabes ausgelöst. Jetzt wird mit den neuen Nachrichtenkanälen Vox und NTV verhandelt, ob die sich nicht gegen eine entsprechende Entschädigung erbarmen und die Innenpolitik übernehmen. Unklar ist auch noch, welche Zeitung für die einzelnen Stationen das Heft zum Film machen wird, aber auch da wird bereits einiges gemunkelt. Spiegel-TV und Stern-TV sind da ja fein raus, bei Sat.1 und RTLplus dürften die Verbindungen klar sein. Nur die Öffentlich-Rechtlichen haben noch ihre Probleme mit der Entscheidungsfindung. Aber auch das wird sich sicher bald regeln.

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