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Die Humboldt-Universität hat eine Präsidentin

■ Marlis Dürkop erhielt überraschend im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit/ Vize ist der Mathematiker Bernd Bank

Mitte. Die Humboldt-Universität hat eine Präsidentin: Überraschend erhielt gestern die Bündnis 90/Grüne-Abgeordnete Marlis Dürkop schon im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen im Wahlgremium der Universität, dem Konzil. Marlis Dürkop errang 32 von 60 abgegebenen Stimmen. Der SPD- Parlamentarier im Bundestag, Peter Glotz, bekam 21 Stimmen, und für den einzigen Humboldt-Kandidaten, den amtierenden Rektor Adolf Zschunke, entschieden sich sechs Konzilsvertreter.

Während sich Vertreter der zur Uni gehörenden Klinik Charité zurückhaltend äußerten — man wünschte der Präsidentin »viel Kraft« —, fielen Konzil und anwesende Universitätsangehörige in spontanen, rhythmischen Applaus. »Es wurde zur Präsidentin gewählt — Marlis Dürkop«, verkündete offiziell, aber lächelnd Wahlleiter Manfred Siegmund. »Sie war die Kandidatin der Studenten«, freute sich Ada Sasse, eine der studentischen VertreterInnen im Konzil. »Die Frage ist«, meinte die Studentin der Rehabilitationspädagogik weiter, »inwieweit sich Marlis Dürkop ihre Konfliktfähigkeit bewahren kann.« Der ehemalige Rektor der HUB, Heinrich Fink, sagte schlicht »toll«, als das Ergebnis bekanntgegeben wurde.

Marlis Dürkop, die im der Universität gegenüberliegenden Operncafé das Wahlergebnis abgewartet hatte, kündigte an, zunächst Personalfragen anzugehen. »Da wird es leider Entlassungen geben«, sagte sie laut der Nachrichtenagentur 'ap‘. Der gestern ebenfalls gewählte erste Vizepräsident, der Mathematiker Bernd Bank, meinte, mit Marlis Dürkop könne man das Personalproblem der HUB »in Anstand und mit Fingerspitzengefühl lösen«.

Ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Dürkop und Glotz hatte sich schon im Vorfeld der Wahl abgezeichnet. Adolf Zschunke, einziger Hauskandidat, war innerhalb der Universität vorgeworfen worden, zu nachgiebig gegenüber Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) zu sein. Der Chemieprofessor war 1990 erstmals in die Universitätsleitung gewählt worden. Er mußte auf Anweisung Erhardts Heinrich Fink wegen Stasi-Verdachtes zur Niederlegung des Rektorenamtes zwingen und folgte ihm dann selbst in die Position nach. Für den 53jährigen SPD-Bundestagsabgeordneten Glotz hatte seine Zeit als Berliner Wissenschaftssenator von 1977 bis 1981 gesprochen, vor allem aber seine intellektuelle Ausstrahlungskraft.

Marlis Dürkop gewann — anders als Glotz — bei den KandidatInnenanhörungen den Beifall der Konzilsdelegierten. Sie kennt die HUB als Kuratoriumsmitglied und hochschulpolitische Sprecherin der AL. In dieser Funktion findet sie als kompetente Fachfrau bei SPD- und auch CDU-KollegInnen Achtung. Marlis Dürkop ist Professorin an der Fachhochschule für Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Sie war dort vier Jahre lang Rektorin.

Die Humboldt-Uni hatte sich im April für einen Wechsel von der Rektorats- zur Präsidialverfassung entschieden. EinE PräsidentIn muß im Gegensatz zum Rektor nicht aus dem eigenen Hause stammen. Dies dürfte auch der eigentliche Grund für die Präsidentenlösung gewesen sein: Kein Ostler an die Spitze der HUB, hatte es im Vorfeld verschiedentlich geheißen. Christian Füller

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