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Zugreifen und losschreiben

■ Ein Konzept namens Edgar: Eine Werbeagentur bestückt Kneipen mit Gratispostkarten

: Eine Werbeagentur bestückt Kneipen mit Gratispostkarten

Edgar ist neu in der Stadt, aber schon jetzt Stammgast in rund 200 Kneipen und Cafes von Altona bis Pöseldorf. Seit kurzer Zeit geben dort mehr oder weniger unauffällig installierte Kartenständer mit jeweils zwölf bunt bestückten Fächern Hamburgs Pistengängern ein Rätsel auf. „Edgar Gratis Postkarten Service“ ist auf der Rückseite der Karten zu lesen, „Verkauf untersagt“ - und eine Telefonnummer. Es meldet sich eine Werbeagentur „Bromeck“.

„Die Idee mit den Gratispostkarten stammt aus Kopenhagen“, erklärt der bereits werbegewiefte studierte Jurist Christian Meckenstock, der mit seiner Kollegin Nana Bromberg eigens eine Agentur gründete, um die Kampagne Edgar auf der Karte von einem Büro im PPS-Bunker aus in Hamburg und auf Sylt zu starten. Der Name Edgar, großzügig abgeleitet vom Begriff der „Advertising Card“, ist, alte Werbeweisheit, „als Figur ausbaufähig“, so Meckenstock. Der Wahlhamburger Kevin Bauer entwarf das Edgar-Logo: Der Mann mit der Pfeife und dem Balken über den Augen.

Rund 200000 ihrer, im weitesten Sinne, Kunstpostkarten hat Bromeck in den ersten drei Wochen der Aktion unters Volk gebracht. Die insgesamt 32, von elf

1Künstlern entworfenen Motive reichen von Fotos und Sprüchen bis zu Aquarellen oder Cartoons.

Doch Bromeck hat Größeres im Sinn, die Vorinvestitionen von „weit über 100000 Mark“ sollen sich bald lohnen: Edgar auf der Karte ist Platzhalter für potente Kunden, die derzeit eifrig akquiriert werden. Denn wie in Kopenhagen etwa der Bier-Riese Tuborg seine Image-Werbung längst vom dortigen Edgar-auf-der-Karte-Vorbild Gocard drucken und vertreiben läßt, sollen auch in Hamburgs Kneipen demnächst Werbepostkarten von hiesigen Unternehmen zur Gratis-Mitnahme einladen.

Die Motive werden von den Unternehmen selbst entworfen, und das müsse, findet jedenfalls Christian Meckenstock, im Zeitalter der hochdotierten „Kreativen“ keinesfalls mehr unoriginell sein. Bromeck übernimmt Druck und Vertrieb der Postkarten, der Kunde zahlt je nach Auflage und Verteilungszeit. Erster Edgar-Kunde ist ein Hamburger Taxiunternehmen, ab August werden die Postkarten in den Kneipen verteilt. Auch ein Hamburger Medien-Konzern habe bereits die Edgar-Dienstleistungen für den Herbst gebucht.

Nebenbei hat das junge Werbeduo aber auch noch ein Ohr für die „Nachwuchskünstler“. Meckenstock kann sich Edgar mittelfristig und gegen eine geringe Aufwands- Beteilung auch „als sehr billige und effektive Form der Kunstvermittlung“ vorstellen.

Da heißt es also zugreifen und losschreiben, denn es sei, so Meckenstock, gerade die „Kombination von den Postkarten und Sitzen in den Kneipen“, die den Anreiz zum spontanen Gratis-Gruß an die Lieben daheim schaffe. Was Wunder also, daß die Edgar-Vertriebsassistenten die Kartenständer in der Strandperle, so Meckenstock, „fast jeden Tag nachfüllen müssen“. Mechthild Bausch

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