: Ein Poolboy frei von Glamour
■ Schwimmer Stefan Pfeiffer, "ewiger Zweiter", auf dem Weg nach ganz oben?
Barcelonareisende
Ein Poolboy frei von Glamour Schwimmer Stefan Pfeiffer, „ewiger Zweiter“, auf dem Weg nach ganz oben?
Der Mann hat einfach Format: „Ich bin zufrieden, so wie es ist“, sagte der Hamburger Stefan Pfeiffer, nachdem er bei den Schwimmweltmeisterschaften im vorigen Jahr im australischen Perth abermals den für ihn typischen zweiten Rang belegte. Damals war es die Silbermedaille über die 400-Meter-Freistil, geschlagen nur von seinem Teamkollegen Jörg Hoffmann. Nie wurde Pfeiffer, der im November 1965 in Hamburg geboren wurde, in einem Einzelrennen Erster, nie hatte er vor allen Konkurrenten die Nase vorn. „Ich freue mich sehr“, teilte er mit, nachdem er zumindest im Staffelrennen die Goldplakette davontrug. Fast wäre ihm diese auch noch versilbert worden - rein sportlich gesehen waren die US-Krauler schneller - allein, sie hatten bei einem Wechsel gepatzt, also wurde die deutsche Auswahl auf den ersten Rang gesetzt. Und, wie gesagt, Pfeiffer freute sich. Und man muß ihm die Pose, die keine sein soll, abnehmen. Ein Boris Becker des Schwimmbassins ist er nun gar nicht. Kämpfen, ärgern, fluchen, mit dem Schicksal hadern, mit Gott, der Welt und dem Verband sind seine Sachen nicht. Pfeiffer ist der Prototyp seines Sports: Aalglatt, freundlich, verbindlich, ein Idol der Jugend von heute, ein Rebell gegen allen Übermut. Mit 26 Jahren ist Pfeiffer, der als Berufswunsch Pilot angibt, in Barcelona ein Schwimmoldie: Über 1500 Meter Freistil hat er sich qualifiziert - und wird doch Schwierigkeiten haben, eine Medaille zu erringen. Der Australier Kieren Perkins ist zu schnell und der Deutsche Jörg Hoffmann sowieso. Und dennoch wird Pfeiffer mit Maß und ohne Anmaßung in die Wettbewerbe gehen. Ein Sieg nämlich brächte ihm kaum die erhofften Werbegelder, die er -
1zusammen mit dem früheren DDR- Schwimmer Jens-Peter Berndt - nach den Olympischen Spielen 1988 in Seoul einnehmen wollte: Damals sangen Pfeiffer und Berndt unter dem Namen „The Poolboys“ eine Platte, die die meisten Tonträgerverkäufer, gnädiglich gestimmt, unter den Tresen versteckten. Pfeiffer ist frei von Glamour. Charisma wird er wahrscheinlich nicht einmal buchstabieren können. „Ich bin zufrieden, so wie es ist“, sagte er nicht ohne Grund. Immer zufrie-
1den, diese makellose Charakterhaltung der neunziger Jahre, hat er sich schon zueigen gemacht, als noch niemand vom Trend der Neunziger, der Neuen Bescheidenheit, etwas ahnte. Man kann mithin nichts gegen ihn sagen, den freundlichen Twen mit dem unwahrscheinlich belanglosen Lächeln. Aber vielleicht stellt sich dies in zwanzig Jahren auch als großes Lob heraus - ein umgänglicher Mann, das seltene Exemplar unter lauter Zeitgeistschweinen. Arne Fohlin
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