: Zerstörer „Bayern“ in die Adria
■ Bundeskabinett entscheidet am Mittwoch über deutsche Beteiligung an der Seeblockade gegen Serbien/ SPD fordert Sondersitzung der Bundestagsausschüsse/ Serbische Offensive geht weiter
Bonn/Belgrad (afp/dpa/taz) — Obwohl das Bundeskabinett erst am morgigen Mittwoch entscheidet, ob sich die Bundeswehr an einer Seeblockade gegen Serbien beteiligen wird, bereitet sich die deutsche Marine offensichtlich bereits auf diesen Einsatz vor: Am Wochenende lief der Zerstörer „Bayern“ zusammen mit sechs anderen Kriegsschiffen der Nato von Lissabon in Richtung östliches Mittelmeer aus. Dort, so hieß es gestern aus dem Bonner Verteidigunsministerium, werde er sich „an Übungen“ beteiligen.
Die Frage, ob mit dem Einsatz des Schiffes bereits die verfassungsrechtliche Grenze überschritten worden sei, beantwortete Otto Graf Lambsdorff gestern mit einem eindeutigen Nein. Gleichzeitig stellte der FDP-Chef jedoch fest, daß seine Partei bei ihrer bisherigen Position zu einer Beteiligung der Bundeswehr an Blauhelm- oder Kampfeinsätzen der UNO bleibe: Dafür sei eine Verfassungsänderung nötig.
Unzufriedenheit über die mangelnde Information des Bundestages zeigte dagegen gestern die SPD: Da die Bundesregierung dringend darüber unterrichten müsse, an welchen Aktionen sie sich beteiligen wolle, forderte sie eine gemeinsame Sondersitzung der Bundestagsausschüsse für Auswärtiges und Verteidigung. Nachdem die SPD bereits vor Wochen den Entwurf zu einer Grundgesetzänderung zum Einsatz der Bundeswehr bei Blauhelm-Missionen vorgelegt habe, erwarte sie jetzt „ausformulierte konstruktive Vorschläge der Bundesregierung“. Ob die Sondersitzung jedoch vor dem Kabinettsbeschluß überhaupt stattfinden kann, scheint angesichts der augenblicklichen Parlamentsferien mehr als fraglich.
In der bosnischen Hauptstadt Sarajevo sind die Kämpfe zwischen Serben, Kroaten und Moslems am Montag fortgesetzt worden. Dabei seien — nach Berichten von afp — die Granaten, die von der bosnischen Territorialverteidigung auf die serbischen Stellungen auf den umliegenden Hügeln abgefeuert worden seien, zahlreicher gewesen als die serbischen Artillerieangriffe auf die Stadt. Von Schüssen getroffen wurde eine französische Transall, die sich an der internationalen Luftbrücke nach Sarajevo beteiligt.
Weiterhin beschossen wird auch die 80 Kilometer östlich von Sarajevo gelegene Provinzstadt Gorazde. Bosnische Militärkreise und UN- Kreise in Sarajevo berichteten, daß serbische Verbände aus der Hauptstadt abgezogen seien, um den zur Verstärkung nach Gorazde entsandten moslemischen Truppen einen Hinterhalt zu legen. Dabei sei es am Sonntag in den Bergen um Sarajevo zu heftigen Kämpfen gekommen, bei denen die Serben 30 schwere Panzer eingesetzt hätten.
Während nach dem bosnischen Präsidenten Alia Izetbegovic nun auch das kroatische Staatsoberhaupt Franjo Tudjman eine Sondersitzung des Weltsicherheitsrates forderte, sorgten in Belgrad Spekulationen über einen baldigen Rücktritt des serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic für Aufregung. So will die Belgrader Zeitung Borba erfahren haben, daß Milosevic bei den noch für dieses Jahr geplanten Neuwahlen in Serbien nicht mehr kandidieren will. Dazu, so Borba, zwinge ihn nicht nur die internationale Isolation Serbiens. Entscheidender dürfte das Auftreten des neuen jugoslawischen Ministerpräsidenten Panic sein.
Andere Stimmen vertreten dagegen die Ansicht, daß Milosevic im Augenblick kaum einen Grund zu einem vorschnellen Rücktritt habe. Nachdem die Demonstrationen der Opposition erfolglos abgebrochen werden mußten, könne er davon ausgehen, daß die Bevölkerung bereit sei, auch unter Opfern für die „gerechte serbische Sache“ standzuhalten.
Ernster sei dagegen die Argumentation von Borba zu nehmen, Milosevic verliere innerhalb seiner alleinregierenden Sozialisten die Basis. Tatsächlich haben sechs Abgeordnete des serbischen Parlaments ihm inzwischen den Rücken gekehrt, konnte Milosevic sich bei seinen Anhängern auch in der von ihm befürworteten Absetzung von Parlamentspräsident Aleksandar Bakocevic nicht durchsetzen. Da die Sozialisten ihr Schicksal aber schon seit langem an Milosevic gekoppelt haben, ist eine Aufkündigung der Gefolgschaft fraglich. her
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