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Iran: Erst das Geschäft, dann die Moral

Der iranische Außenminister Welajati besucht Bonn/ Treffen mit Außenminister Kinkel/ Interesse an engeren Wirtschaftsbeziehungen zum Iran läßt Kritik an den Menschenrechtsverletzungen zur lästigen Pflichtübung verkommen  ■ Von Thomas Dreger

Der iranische Außenminister Ali Akbar Welajati traf gestern zu einem dreitägigen Besuch in Bonn ein. Dieser dient auch der Vorbereitung einer Visite des iranischen Staatspräsidenten Ali Akbar Hashemi Rafsandschani. Der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hatte schon im Mai letzten Jahres in Teheran eine Einladung der Bundesregierung an Rafsandschani überreicht. Welajati soll nun letzte Hindernisse für die Reise Rafsandschanis ausräumen und die ohnehin exquisiten Wirtschaftsbeziehungen beider Länder weiter pflegen.

Unmittelbar nach der Ankunft traf Welajati mit seinem bundesdeutschen Amtskollegen Kinkel zusammen. Für heute stehen Gespräche mit Bundeswirtschaftsminister Möllemann und dem Staatsminister im Kanzleramt, Schmidtbauer, auf dem Programm. Letzterer nahm im Juni die beiden deutschen Geiseln Strübig und Kemptner im Libanon in Empfang, die mit maßgeblicher iranischer Hilfe freikamen.

Trotz bester deutsch-iranischer Beziehungen traute sich Kohl bisher nicht, dem international als Chef eines Folter- und Terrorregimes verschrienen Rafsandschani persönlich die Hand zu schütteln. Nach der Geiselfreilassung könnte es nun doch zum deutsch-iranischen Shake- Hands in Oggersheim kommen. Der Empfang beim Regierungschef der stärksten Wirtschaftsmacht Europas würde für Rafsandschani einen enormen Prestigegewinn bedeuten. Dafür wird er auch die obligate Ermahnung in Sachen Menschenrechtsverletzungen gerne über sich ergehen lassen, wie jetzt sein Außenminister Welajati in den Bonner Ministerien.

Die meisten Regierungen Westeuropas führen den Iran nach wie vor auf der „Terroristenliste“. Das im März verübte Sprengstoffattenat auf die israelische Botschaft in Buenos Aires und der Mord am früheren iranische Premierminister Shapour Bakhtiar im vergangenen Herbst in Paris gehen möglicherweise auf das Konto der iranischen Regierung. Hinzu kommt der erst vor zwei Wochen erneuerte Aufruf zur Ermordung des britischen Schriftstellers Salman Rushdie. Angesichts solcher Verwicklungen Teherans stoppte die britische Regierung soeben einen geplanten diplomatischen Vorstoß.

Einzig in Deutschland hat die iranische Führung europäische Freunde, auf die sie sich verlassen kann. Der Iran ist im Nahen und Mittleren Osten Bonns Handelspartner Nummer eins. Güter im Wert von 1.882 Millionen DM — 21,6Prozent mehr als im Frühjahr 1991 — importierte der Iran von Januar bis März dieses Jahres aus der BRD. Deutsche Industrielle hoffen, Ende des Jahres ein Viertel der iranischen Importe bestreiten zu können.

Einer der aktivsten deutschen Handelspartner des Iran ist die Treuhandanstalt. Nachdem es dem Abwicklungsunternehmen schon im letzten Jahr gelungen war, 20 Diesellokomotiven der Reichsbahn an den Iran zu vermieten, verkaufte sie im Juni 40Prozent der ostdeutschen Reifenfabrik Pneumant nach Teheran. Der Leipziger Schwermaschinenhersteller Takraf soll im Iran Hafen- und Eisenerzanlagen bauen. Anteile der Firma sollen eventuell in iranische Hände übergehen.

Der „Pragmatiker“ Rafsandschani hat die Ideen des Ajatollah Khomeini von einer „islamischen Wirtschaft“ eingemottet. Statt dessen setzt er auf ausländische Investitionen und Kredite. Im Frühjahr dieses Jahres pumpte er sich für zwei Bewässerungsprojekte 134 Millionen US-Dollar bei der Weltbank. „Privatisierung“ und „Liberalisierung“ heißen auch im Iran die Zauberformeln für die wirtschaftliche Sanierung. Seither hat ein rasanter Preisanstieg eingesetzt. Rafsandschanis Regierung räumt offiziell eine Inflationsrate von 19Prozent ein, Beobachter sprechen von rund 60Prozent. Nun plant der Chef der iranischen Zentralbank, den iranischen Rial abzuwerten, um ihn dem Weltmarktwert anzupassen, der etwa bei einem Zwanzigstel des offiziellen Kurses liegt. Eine realistische Rial-Bewertung hätte eine weitere Beschleunigung des Preisanstiegs zur Folge.

Anfang Mai entschied der iranische „Supreme Council for Investment“, daß ausländische Firmen nun zu 100Prozent statt wie bisher zu maximal 49Prozent an Joint-ventures im Land beteiligt werden können. Angesichts solcher Perspektiven frohlockt der in Hamburg eingetragene Verein „deutsch-iranische Handelskammer“ in seinem jüngsten Rundschreiben über „praktisch unbegrenzte Möglichkeiten“ für ausländische Investoren im Iran.

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