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Der Bäckermeister als Hilfspolizist

Die hessische Union legt ein Konzept zur Kriminalitätsbekämpfung vor/ Polizei soll durch freiwillige Reserve entlastet werden  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) — „Wie bei der freiwilligen Feuerwehr oder dem Technischen Hilfswerk“ sollen demnächst bei der Polizei in Hessen engagierte Bürgerinnen und Bürger im Rahmen einer sogenannten freiwilligen Polizeireserve die verbeamteten Polizisten entlasten. Für den hessischen CDU-Landtagsabgeordneten Volker Bouffier könnte demnächst etwa „ein Bäckermeister in seiner Freizeit“ den Verkehr regeln — ob bewaffnet oder unbewaffnet, sei noch nicht entschieden.

Die „freiwillige Polizeireserve“ ist Teil eines bundes- und landespolitischen Konzeptes der CDU zur Bekämpfung des rapiden Anstiegs der Kriminalität, das Bouffier und der hessische Ex-Innenminister Hartmut Nassauer jetzt in Wiesbaden vorstellten. Die Polizei müsse sich heute mit zu vielen „polizeifremden Aufgaben“ beschäftigen, und das schade der Effizienz polizeilichen Handelns gerade in den Ballungszentren. Neben den Hobbypolizisten soll eine „Wachpolizei“ die „normale Polizei“ von ihren personalintensiven Objektschutzaufgaben entbinden. Deren Mitglieder, so Bouffier, bräuchten „nicht den hohen Anforderungen der Allgemeinen Vollzugspolizei“ zu entsprechen. Und auch Gefangenentransporte mit Polizeibegleitung soll es nach den Vorstellungen der Union „im Jahre 2000“ nicht mehr geben. Von den Justizverwaltungen zu organisierende private Sicherheitsdienste, so Bouffier, könnten so mithelfen, bei der Polizei Kräfte für eine „effektivere Verbrechensbekämpfung“ freizusetzen.

Heftig kritisierte die CDU den Frankfurter Oberbürgermeister Andreas von Schoeler (SPD) dafür, daß auf der Einkaufsmeile Zeil und in den sogenannten B-Ebenen private Wachdienste mit scharfen Hunden für Sicherheit sorgen sollen. Man wolle keine „Djangos“ in schwarzen Uniformen. Die „freiwillige Polizeireserve“ sei da eine „nach den Richtlinien der Polizei ausgebildete Alternative unter dem Dach der Polizei“.

Daß ausgerechnet aus den Reihen der Führung der Gewerkschaft der Polizei heftige Kritik am CDU-Hobbypolizisten geübt wurde, dürfte den Unionisten nicht schmecken. Da würden sich doch mehrheitlich die „falschen Leute“ zum einem freiwilligen Polizeidienst melden und so das mühsam aufgebaute Vertrauensverhältnis zwischen Polizei und Bürgern extrem belasten, prophezeiten Polizeigewerkschafter.

Die Grünen warnten vor dem Marsch in die „bewaffnete Gesellschaft“. Die Union, so die Abgeordnete Karin Hagemann, wolle keine „Bürgerwehr“ — „doch die freiwillige Polizeireserve läuft auf das gleiche hinaus“. Für die SPD hat die Union mit ihrer Hobbypolizei einen „fragwürdigen Ladenhüter aus Baden-Württemberg“ neu aufgebügelt.

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