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Die Bauministerin im gläsernen Bus

■ Irmgard Schwaetzer macht eine Infotour durch die neuen Bundesländer, um den Menschen dort die Mieterhöhungen zu erklären/ Schutz vor Eigenbedarfskündigungen wird um drei Jahre verlängert/ Altschuldenkompromiß angeblich in Sicht

DDR. Aus welchem Material die Info-Busse der Bauministerin bestünden, mit denen diese demnächst in der ehemaligen DDR auf Tour gehe? fragt die Berichterstatterin. »Eine gute Frage«, sagte der Pressereferent. »Die nächste Frage.«

Es sind zwei gläserne Busse, mit denen die Irmgard Schwaetzer (FDP), zwei ihrer vier Staatssekretäre, einige Fachberater und je ein Psychologe von August bis Oktober durch zahlreiche größere und kleinere Orte der neuen Bundesländer ziehen, um den Bürgern dort den »schwierigen Prozeß« zu erklären, warum ihre Mieten ab 1993 steigen — um 75 Pfenning mindestens, maximal auf 2,10 Mark pro Quadratmeter, je nach Zustand des Hauses und der Wohnung. Und da nicht nur die Mieter bislang dafür wenig Verständnis gezeigt haben, sondern auch die ostdeutsche und die Berliner Presse die Mieterhöhungspläne kritisierte, bat die Ministerin Journalisten aus den neuen Ländern zunächst zum Hintergrundgespräch, sodann zu Tisch und schließlich zu einer Bötchenfahrt über den Müggelsee, um für ihre Position zu werben.

Die Diskussion über die Mieten, räumte die Ministerin ein, werde dieses Jahr schwieriger werden als beim ersten Mieterhöhungsschub, da man mit der Modernisierung und der Instandsetzung nicht so weit gekommen sei, wie man es angekündigt hatte. Immerhin, so Schwaetzer, seien nicht nur die Länderbauminister, sondern auch die Wohnungsunternehmen und selbst der Deutsche Mieterbund mit der Mieterhöhung einverstanden. »Wohnen wird für die Menschen in den neuen Ländern plötzlich zu einem Gut, für das erhebliche Teile des Einkommens aufgewendet werden müssen, das ist eine große Umstellung«, so Schwaetzer. Dabei betragen die durchschnittlichen Ausgaben für die Kaltmiete im Westen 25 Prozent des Einkommens, im Osten seien es heute 12 Prozent des Einkommens, nach der Mieterhöhung würden es 16 bis 18 Prozent davon sein. »Sie können den Bürgern im Westen nicht alles zumuten«, sagte Frau Schwaetzer. Eine Rentnerin in Ostdeutschland mit geringer Rente bekomme doppelt soviel Wohngeld wie eine Rentnerin im Westen mit gleich geringer Rente, das sei kaum zu vermitteln.

Dabei reiche auch diese Mieterhöhung nicht aus, die Wohnungen im Osten in Schuß zu bringen. Sie sei eher dazu gedacht, den Unternehmen zu ermöglichen, Kredite aufzunehmen und diese zu bedienen, sagte die Ministerin. Die öffentlichen Gelder zur Modernisierung, die die Bundesregierung bisher zur Verfügung gestellt hatte, seien zu 80 Prozent von privaten Eigentümern abgerufen worden und nur zu geringem Anteil von kommunalen Wohnungsunternehmen. Schuld daran seien — neben den unklaren Grundstücksverhältnissen — die Altschulden aus der DDR-Zeit in Milliardenhöhe, die auf den Wohnungsunternehmen lasten und die Kreditwürdigkeit rauben.

Wenn das derzeitige Altschulden- Moratorium Ende 1993 ausläuft, müssen die kommunalen Wohnungsunternehmen Kreditzinsen für 51 Milliarden Mark tragen. Die Unternehmen und die neuen Bundesländer fordern die Streichung der Schulden. Diese Position sei mit der des Bundesfinanzministers unvereinbar, sagte Schwaetzer. Das Bauministerium strebe einen Kompromiß an, nach dem die Altschulden bedient würden, ohne daß die Wohnungsunternehmen belastet würden. Die Zuordnung der Schulden müsse offenbleiben, die Wohnungsbaugesellschaften bekämen Überbrückungshilfen. Die Höhe dieser Hilfen sei allerdings, so Schwaetzer, an die Wirtschaftlichkeit der Wohnungsunternehmen gekoppelt, zu dieser gehöre etwa die Realisierung von Privatisierungsmöglichkeiten kommunalen Wohnraums. Im Klartext: Nur Wohnungsunternehmen, die ihre Bestände in genügender Zahl an privat verkaufen, bekommen Zuschüsse zu ihren Zinslasten. Schwaetzer warnte jedoch auch die Mieter, übereilt ihre Wohnungen zu kaufen: Die Betriebskosten, im Osten fast doppelt so hoch wie im Westen — müßte auch der Eigentümer einer Wohnung zahlen.

Schwaetzer kündigte weiter an, daß das Verbot der Eigenbedarfskündigung im Osten Deutschlands um weitere drei Jahre bis Ende 1995 verlängert würde. Das sei im neuen Mietrechtsänderungsgesetz vorgesehen. Eine Ausnahme seien Zweifamilienhäuser. »Es gibt Fälle, wo der Hauseigentümer eine der Wohnungen vermietet hat, und dann klappt es nicht zwischen beiden wegen Unvereinbarkeit der politischen Überzeugung, dann muß eine Eigenbedarfskündigung möglich sein«, sagte die Ministerin. Eva Schweitzer

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