piwik no script img

Hoesch stimmt über Elefantenhochzeit ab

■ Die Fusion mit Krupp gilt als sicher/ Aktionäre könnten jedoch die Eintragung ins Handelsregister im letzten Moment verhindern/ Krupp-Chef Cromme will keine Garantie für alle Standorte geben

Dortmund (dpa/vwd/taz) — Die Aktionäre der Dortmunder HoeschAG sollen heute die Fusion des Unternehmens mit der Essener Friedrich Krupp AG besiegeln. Die Zustimmung der außerordentlichen Hauptversammlung zur Verschmelzung der beiden traditionsreichen Revierkonzerne gilt als sicher, da Krupp mehr als 62 Prozent des Hoesch-Grundkapitals hält, und auch die Westdeutsche Landesbank, die knapp 15 Prozent der Hoesch- Aktien besitzt, zustimmen will. Für den Fusionsbeschluß sind 75 Prozent des vertretenen Grundkapitals erforderlich. Der durch die Fusion entstehende neue Großkonzern hat einen Umsatz von knapp 30 Milliarden Mark und rund 97.000 Beschäftigte. Dennoch wird das neue Mammutunternehmen hinter dem Thyssen-Konzern mit 148.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 40 Milliarden Mark weiterhin nur die zweite Geige an der Ruhr spielen.

Die Fusion soll rückwirkend zum 1.Januar 1992 in Kraft treten. Doch widerspenstige Aktionäre könnten diesen Plan noch zum Scheitern bringen. Falls Hoesch-Aktionäre in der Hauptversammlung Widerspruch anmelden und Anfechtungsklagen erheben, werden die Registerrichter in Dortmund und Essen die Verschmelzung nicht ins Handelsregister eintragen — ein Alptraum für Krupp-Chef Gerhard Cromme. In diesem Fall müßte Krupp nämlich mit Hoesch einen Beherrschungsvertrag abschließen, Aktionäre abfinden oder eine Garantiedividende zahlen — kostspielige Alternativen, denn darüber hinaus bliebe bei Hoesch die Montanmitbestimmung in Kraft, und die IG Metall könnte einen Strich durch Crommes Entlassungspläne machen.

Die Behauptungen, daß 10.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen, weist der Krupp-Chef jedoch weit von sich. Angeblich sollen es nur 1.800 Jobs sein. Eine Garantie für alle Standorte will Cromme jedoch nicht geben: „Wenn sich die Konjunktur nach unten entwickelt, müssen wir natürlich nachdenken.“ Der Verschmelzungsvertrag sieht vor, daß sich der Stichtag um ein Jahr verschiebt, falls die Fusion nicht bis zum 1.April 1993 eingetragen ist. Außerdem ist darin der Umtausch von zehn Hoesch- in 13 Krupp-Aktien vorgesehen sowie eine bare Zuzahlung von sechs Mark je Hoesch- Aktie festgelegt.

Offenbar um Anfechtungsklagen aus formalen Gründen weitgehend auszuschließen, nimmt sich die Hoesch-Hauptversammlung für die Diskussion des 262 Seiten starken Verschmelzungsberichts viel Zeit. Hoesch hat die Dortmunder Westfalenhalle vorsichtshalber auch noch für morgen gemietet, damit die Hauptversammlung fortgesetzt werden kann, falls heute nicht alle Aktionäre zu Wort kommen.

Die Zustimmung der Arbeitnehmervertreter zur Fusion, gegen die im vergangenen Oktober noch 20.000 Hoeschianer in Dortmund demonstrierten, ist im Februar durch eine Vereinbarung von „Eckpunkten“ zwischen dem Krupp-Vorstand und der IG Metall erkauft worden. Dabei konnte zwar die Montanmitbestimmung für die fusionierte Obergesellschaft nicht durchgesetzt werden, doch die Mitbestimmungsregelungen gehen deutlich über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus. So wählt der Aufsichtsrat des künftigen Mammutkonzerns aus seiner Mitte ein paritätisch besetztes Präsidium, das die Aufgabe hat, bei Streitfällen eine Lösung zu finden, die „im Aufsichtsrat einigungsfähig ist“. Kommt keine Einigung zustande, hat der Aufsichtsratsvorsitzende — also die Kapitalseite — doppeltes Stimmrecht.

Als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied soll der Obergesellschaft ein Arbeitsdirektor angehören, der „nicht gegen die Mehrheit der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat“ bestellt werden kann. Diese Vereinbarung, die allen Beteiligten ohne Gesichtsverlust die Zustimmung erlaubte, kam unter maßgeblicher Beteiligung von NRW-Ministerpräsident Johannes Rau und Krupp-Übervater Berthold Beitz zustande.

Das Bundeskartellamt hatte der Elefantenhochzeit im April zugestimmt, jedoch zur Bedingung gemacht, daß die Essener Stahlschmiede den Geschäftsbereich Tragfedern verkauft. In anderen Bereichen ergebe der Zusammenschluß keine marktbeherrschenden Stellungen, meinte das Kartellamt. Ralf Sotscheck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen