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»Das haben wir nicht gesehen, das muß als Schuld bekannt werden«

■ Carl Ordnung, Sekretär der Christlichen Friedenskonferenz, arbeitet die Vergangenheit auf/ Zu den oppositionellen Friedensgruppen hielt die CFK Distanz

Berlin. »Ich bin mir noch nicht sicher, ob die Arbeit der Christlichen Friedenskonferenz weitergehen sollte.« Für Carl Ordnung, den langjährigen Sekretär der Christlichen Friedenskonferenz (CFK) in der DDR, besteht das »Hauptinteresse darin, die Vergangenheit aufzuarbeiten«. Die CFK habe seinerzeit die Position vertreten, daß Frieden eine internationale, nicht eine innenpolitische Angelegenheit sei, äußert der weißhaarige Methodist selbstkritisch. Aber auch die Unterdrückung von Reisefreiheit und Meinungsfreiheit »sind ja eigentlich Dinge, die international friedensstörend wirken«, urteilt der CFK-Sekretär inzwischen. »Das haben wir damals nicht gesehen«, fügt er in seiner bedächtigen Art hinzu, »und das, denke ich, muß heute als Schuld bekannt werden.«

Überhaupt nicht wie ein Führungskader wirkt der Vorruheständler, wie er da in seiner Vorstadtwohnung auf dem kleinen runden Tisch den Tee serviert. Eher schon wie ein Buchhalter oder Bürokaufmann mit dem rundlichen Gesicht und dem zurückhaltenden, korrekten Auftreten. Eigentlich war er in den letzten dreißig Jahren im Hauptvorstand der CDU als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt. Achtzig Prozent seiner Zeit hat er allerdings für die Christliche Friedenskonferenz aufgewendet, erzählt er und schaut auf hinter seiner dicken Hornbrille.

Auf die Verdienste der Organisation angesprochen, die sein Lebenswerk ausmacht, atmet er tief durch. Als »ganz wesentliches Verdienst« bezeichnet er, daß die CFK als erste Gruppe Beziehungen zu den Christen in Osteuropa hergestellt hat. Auch die Thematisierung der Friedensfrage, die von den Kirchen dann ab Mitte der siebziger Jahre aufgenommen wurde, rechnet er zum Teil der CFK an. »Es ist sicher kein Zufall, daß führende Theologen, die einmal aktiv in der CFK waren, dann auch führende Positionen im Weltkirchenrat in Genf eingenommen haben.«

Auf die Frage, welches Interesse der DDR-Staat an einer Zusammenarbeit mit der Christlichen Friedenskonferenz hatte, zögert Ordnung. Dann räuspert er sich: »Er erwartete sich davon eine internationale Unterstützung dessen, was als sozialistische Friedenspolitik bezeichnet wurde.« — Und diese Unterstützung ging so weit, daß die Christliche Friedenskonferenz 1968 den Einmarsch der Sowjettruppen in Prag als notwendig für die »Stärkung der europäischen Sicherheit« verteidigte.

Als ob er sich des Zynismus dieser Erklärung bis dato nicht bewußt ist, erläutert Ordnung: »In diesem Zusammenhang haben wir Verständnis geäußert für die militärische Maßnahme, gleichzeitig aber auch Verständnis dafür, daß sie von den meisten Tschechen nicht als Hilfe verstanden werden konnte.«

Kaum verwunderlich also, daß es mit den oppositionellen kirchlichen Friedensgruppen, die sich in den achtziger Jahren herausbildeten, wenig Gemeinsamkeiten gab. Kritik an den inneren Verhältnissen und den Menschenrechtsverletzungen in der DDR waren schließlich deren wesentliche Anliegen. Immerhin, erzählt Ordnung, haben in den letzten Jahren an den Friedenswerkstätten auch neu gegründete Basisgruppen der CFK teilgenommen.

Man habe sich gegenseitigen Respekt gezollt, meint der Sekretär der Christlichen Friedenskonferenz im Rückblick, auch wenn in den Sachfragen und politischen Standpunkten Spannungen blieben. Von den nicht angepaßten oppositionellen Gruppen war er damals schon beeindruckt, weil sie im Gegensatz zu den normalen DDR-Jugendlichen politisch »engagiert waren und eigenständig gedacht haben«. Deren politische Meinung teilte er damals nicht, sagt aber heute, nach der Wende: »Ich habe das immer für eine große positive Potenz der DDR-Gesellschaft gehalten.« Anne-Kathrin Koppetsch

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