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Warten auf James Baker alias Mister Fix-it

Selten sind die Republikaner in den USA so desolat in die Endphase eines Wahlkampfes gegangen/Streit über Abtreibung und Aids-Politik/Jetzt hoffen Bush und sein Kampagnenteam auf den Retter: den derzeitigen Außenminister  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Es gibt angenehmere Jobs, als einem abstiegsgefährdeten Club neuen Siegeswillen einzuhauchen. Geht das Unternehmen schief, bleibt der Geruch des Versagens auch am besten Trainer haften. Genau aus diesem Grund ist James Baker III., zur Zeit Außenminister der USA, von seinem neuen Job nicht sonderlich begeistert: Mitte August wird Baker in die republikanische Wahlkampfzentrale wechseln, um die desolate Kampagne seines Freundes George Bush neu zu organisieren.

Selten war die Ausgangslage für die Republikaner so schlecht: In den Umfragen, deren Ergebnisse allerdings sehr kurzlebig sind, liegt Bush mit über 30 Prozent hinter seinem demokratischen Gegenkandidaten Bill Clinton zurück; das demokratische Duo Clinton und Al Gore hat einen exzellent und harmonisch inszenierten Parteitag hinter sich. Damit nicht genug, besetzen die Demokraten erfolgreich ideologisches Terrain, das einst den Republikanern gehörte: Patriotismus, law and order und das Heil der Familie.

Göttliche Hilfe läßt auf sich warten, vor allem bei der ökonomischen Entwicklung des Landes: Die Arbeitslosenrate ist mittlerweile auf 7,8 Prozent gestiegen. Ein Ende der Rezession wird von allen beschworen und prophezeit — aber nicht mehr vor den Wahlen am 3. November.

Der Feind fehlt

James Baker hat seinem Freund Bush schon einmal unter die Arme gegriffen, als der auf dem Weg ins Weiße Haus ins Stolpern geriet: Im August 1988 verließ er seinen Posten als US- Finanzminister und übernahm die Leitung des Wahlkampfteams für den damaligen Vize. Auch damals lag Bush in den Meinungsumfragen deutlich hinter seinem demokratischen Konkurrenten Mike Dukakis. Auch damals befand sich das republikanische Wahlkampfteam in Konfusion. Baker verhalf Bush mit einer straff organisierten Kampagne zum Wahlsieg, wurde selbst Außenminister — und trägt seitdem den Spitznamen „Mister Fix-it“.

Doch dieses Mal geht es um weit mehr als ein paar Reparaturarbeiten im Kampagnenteam. Das gesamte politische Koordinatensystem hat sich verändert: Vor vier Jahren gab es, trotz Gorbatschow und Glasnost, immer noch einen kommunistischen Block als Feindbild. Das war eine außen- wie innenpolitische Orientierungshilfe, die die Republikaner immer besser nutzen konnten als die potentiell „liberalen“ und „linkslastigen“ Demokraten. Wer mit solchen Etiketten auf der Stirn in den Wahlkampf zog, geriet schnell in den Ruch der „Feigheit vor dem (roten) Feind“. Der hat sich mit dem Zerfall des Ostblocks verabschiedet.

Saddam Hussein die Rolle des neuen Feindes zuzuweisen, hat sich inzwischen als Bumerang erwiesen. Der Sieg im Golfkrieg schien Bush einst die Wiederwahl zu garantieren. Heute ist „Operation Desert Storm“ in der Erinnerung der meisten Amerikaner eine halbherzige Aktion, weil Saddam immer noch an der Macht ist — und eine heuchlerische Aktion, weil ständig neue Details über die Hätschelpolitik der US-Regierung gegenüber dem irakischen Diktator bis zur Invasion Kuwaits bekannt werden.

Mit dem Golfkrieg, so schreibt der Historiker Garry Wills im New York Review of Books, habe Bush versucht, das Selbstverständnis der USA als militärische Supermacht in die Zeit nach dem Kalten Krieg hinüberzuretten. Der Versuch ist gescheitert — und damit ist auch eine der wichtigsten ideologischen Säulen republikanischer Außenpolitik zerbröckelt. Da nützt auch der gute Ruf Bakers als Außenpolitiker wenig. Ob nun dank des Drucks des State Department in den von Israel besetzten Gebieten weniger jüdische Siedlungen gebaut werden, berührt die US-Bürger von Mobile, Alabama bis Billings, Montana überhaupt nicht. Sie zerbrechen sich die Köpfe über die Collegegebühren ihrer Kinder, die hohe Arbeitslosigkeit, mögliche Steuererhöhungen und das Haushaltsdefizit — wichtigstes Indiz für viele Bürger, daß der Regierung die Kontrolle über die eigenen Angelegenheiten entglitten ist.

Vor allem aber herrscht unter den Republikanern längst nicht mehr jener gesellschaftliche konservative Konsens, der die Partei immer so homogen erscheinen ließ. Dieses Mal haben die Demokraten die Reihen hinter sich geschlossen, bei den Republikanern brechen sie gerade auf: In Live-Diskussionen der großen Fernsehsender liefern sich erzkonservative Parteimitglieder erbitterte Wortgefechte mit Vertreterinnen der „Republicans Pro Choice“, der „Republikaner für Abtreibungsfreiheit“. Gegen die erbärmliche Aids- Politik der Bush-Administration polemisieren vor laufenden Kameras nicht nur Prominente wie Elisabeth Taylor, sondern auch Gegenkandidat Bill Clinton.

Absehbares Dilemma

Knapp zwei Wochen vor dem Parteitag in Houston stecken die Republikaner in einem Dilemma, das absehbar war: Themen wie Homosexualität, Aids-Politik, vor allem aber die Entscheidungsfreiheit der Frauen in Sachen Abtreibung sind keine „Minderheiteninteressen“ mehr. Deren VertreterInnen haben den Marsch durch die Institutionen angetreten — und sind inzwischen auch bei den Republikanern angekommen. Die jüngere Parteigeneration nimmt, wie zum Beispiel Ann Stone von den „Republicans Pro Choice“, in Anspruch, für die Mehrheit zu sprechen: „71 Prozent der Republikaner sind für die Abtreibungsfreiheit.“

James Baker bleiben keine hundert Tage mehr, um aus diesem Chaos einen Wahlsieg zu machen. Dabei hat er es mit einem Spitzenkandidaten zu tun, der wie kaum ein anderer diesen Zerfallsprozeß verkörpert. Die Karriere des George Bush innerhalb der republikanischen Partei war immer von opportunistischer Anpassung an den jeweils dominierenden Parteiflügel geprägt.

Er gilt in der eigenen Partei als „Kompromißler“, als einer, der nie eigenes politisches Profil entwickelt hat. Bei den rechten Lobbygruppen innerhalb der Republikaner ist Bush unbeliebt bis verhaßt, weil sie ihm seine konservativen Lippenbekenntnisse, vor allem seine Antiabtreibungsrhetorik, nicht glauben. Sie verzeihen ihm nie die Sätze aus seinem Wahlprogramm von 1970, als er in Texas um einen Sitz im US-Senat kandidierte: „Es sollte der Entscheidung der Frauen überlassen bleiben, ob sie eine Abtreibung wollen oder nicht. Ein Schwangerschaftsabbruch sollte immer durch kompetentes medizinisches Personal durchgeführt werden.“ Als Abgeordneter des Repräsentantenhauses hatte sich Bush einen Namen in Fragen der Geburtenkontrolle gemacht. Heute nimmt der Mann aus Rücksicht auf die Konservativen in Partei und Wählerschaft das Wort „Kondom“ nicht mehr in den Mund. Diese Rückgratlosigkeit hat Bush in den Augen des liberaleren Parteiflügels disqualifiziert. Mehr aus Loyalität denn aus Überzeugung werde sie ihn am 3.November wählen, erklärte Ann Stone unlängst zur besten Sendezeit im Fernsehen. „Aber ich kann anderen Leuten beim besten Willen nicht mehr erklären, warum sie das gleiche tun sollten.“

Soviel Defätismus in den eigenen Reihen bereitet Nährboden für Gerüchte, George Bush würde vielleicht gar nicht mehr antreten. In der Presse lauert man auf Informationen über den Gesundheitszustand des Präsidenten — und der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, wies vor kurzem unwirsch Spekulationen über die geistige und physische Fitness seines Chefs zurück.

Selbst für einen Baker könnte die Aufgabe, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, diesmal eine Nummer zu groß sein. Aber „Mister Fix-it“ hat nicht nur Erfahrung darin, Mister Bush zu neuen Ämtern zu verhelfen; er weiß auch, wie man ihn zurückpfeift. Vor zwölf Jahren bewarb sich Bush schon einmal um die Nominierung der Republikanischen Partei für das Präsidentenamt — allerdings ohne Chancen gegen Ronald Reagan. Dem Rat seines Wahlkampfmanagers Baker, zugunsten Reagans zurückzuziehen, wollte Bush nicht folgen. Daraufhin verkündete Baker auf eigene Faust auf einer Pressekonferenz in Kalifornien das Ende des Vorwahlkampfs für George Bush — wegen angeblichen Geldmangels.

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