Man duzt sich wieder

■ Jelzin und Krawtschuk einig: Die Schwarzmeerflotte darf nun gemeinsam verrotten

Man duzt sich wieder Jelzin und Krawtschuk einig: Die Schwarzmeerflotte darf nun gemeinsam verrotten

Der Sommer war immer die Zeit der Krim. Sonne, Sand und Sanatorien plus ein Schuß luxuriösen Sozialismus. Dazwischen ein Putsch, gelungen oder auch nicht. Jahrein, jahraus dasselbe, der öde Gleichklang einer Sommerfrische.

In diesem Sommer nahm das sein Ende. Die staatlich subventionierten Sozialisten mußten im letzten Herbst ihre Kleider wechseln und bereisen nun als Geschäftsleute das westliche Ausland. Über der Krim verdunkelte sich der Himmel. Zu allem Überdruß ankerte noch im Seehafen Sewastopol die Schwarzmeerflotte. Seit dem Kollaps des östlichen Imperiums verpesteten die Gefechte um sie auch noch die Luft in der Sommerfrische. In Moskau wie in Kiew avancierte dieser Schrotthaufen zum Symbol nationaler Integrität. Boris Jelzin und Leonid Krawtschuk verpflichteten sich nun, die Weltöffentlichkeit damit nicht länger zu malträtieren. Wird das aber von Dauer sein?

Schon seit längerem kündigte sich zwischen beiden Staatsoberhäuptern der Wille zur Verständigung an. Er dokumentierte sich in Kleinigkeiten. Das vorletzte Treffen sah Jelzin einen Fussel vom Jackett seines Kollegen schnipsen. Diesmal präsentierten sich beide Arm in Arm. Man sei auf du und du. So wie es die russische Geschichtsschreibung über die beiden Brüder schon immer vorsah. In Moskau darf man das als einen Erfolg werten, zumal sich beide Seiten auch noch auf einen visafreien Verkehr einigten.

Ein Abklingen des ukrainischen nationalen Aufbegehrens und der russischen Verlustängste dahinter zu vermuten wäre voreilig. Krawtschuk ist ein gewievtes Chamäleon, er weiß Stimmungen für sich zu nutzen. Und Jelzin kennt seinen ehemaligen Parteigenossen und dessen Ambitionen: die Sicherung und den Ausbau der Macht. Hier haben zwei alte Apparatschiks — im Interesse des Allgemeinwohls — gekungelt. Jelzin erhält mehr Spielraum gegenüber den national-patriotischen Konjunkturisten, und Krawtschuk kann den schon angelaufenen Umbau seines Kabinettes mit altgedienten, nicht gerade reformfreundlichen Kadern vorantreiben. Nach der Spaltung der radikalen Unabhängigkeitsbewegung „Ruch“ in Befürworter und Gegner des Präsidenten ein strategisch günstiger Moment. Krawtschuk ist ein Etatist, er will den ersten ukrainischen Staat errichten, dabei spielen demokratische Erwägungen keine übermäßige Rolle. Sollte im Herbst die angeschlagene Opposition in Kiew Neuwahlen des Obersten Sowjets verlangen, wird er auch die nationalistische Klaviatur wieder virtuos zu bedienen wissen. Für Moskau bleibt die Ukraine ein Trauma. Klaus-Helge Donath, Moskau