: WINDHUNDRENNEN SIND EIN WINDIGES GESCHÄFT Von Ralf Sotscheck
Windhunde sind dumm, aber wertvoll. Woche für Woche hetzen sie hinter einem Plastikhasen her, der am Ende der Aschenbahn mit monotoner Regelmäßigkeit in einer Klappe im Boden verschwindet und eine Meute verblüffter Köter zurückläßt. Herrchen kassiert derweilen das Startgeld und — wenn er Glück hat — obendrein noch einen erheblichen Wettgewinn. Diesem Glück wird in Irland in letzter Zeit häufig nachgeholfen.
Die Buchmacher haben das Vertrauen in Windhundrennen verloren und lassen sich immer seltener auf den Rennbahnen sehen. „Das Windhund-Geschäft ist schwer krank und bedarf dringender Maßnahmen zur Besserung, damit es nicht stirbt“, jammerte der irische Buchmacher- Verband in einem Bericht für den Dubliner Senat. Der Verband der Windhundzüchter, Bord na gCon, weist die Kritik empört zurück: „Die Buchmacher sollen bloß die Schnauze halten. Sie haben an den Windhundrennen jahrelang gut verdient, wie ihr hoher Lebensstandard beweist.“
Dubiose Wettgeschäfte sind allerdings nicht der einzige Grund für den miesen Ruf der Hunderennen. In letzter Zeit häufen sich Doping- Fälle, doch die genauen Untersuchungsergebnisse werden meist unter den Teppich gekehrt. Das soll allerdings bald anders werden: Bord na gCon hat mit dem Bau eines Labors in Limerick begonnen, in dem die mit Drogen vollgepumpten Viecher entlarvt werden sollen. Ob sich dadurch der Niedergang der einstigen Musterindustrie aufhalten läßt, ist jedoch fraglich.
Windhundrennen gibt es in Irland seit 1927. Seitdem stiegen die Besucherzahlen stetig. Wo Geld im Spiel ist, muß auch ein Verband her: Bord na gCon wurde 1958 gegründet und kassiert seither von jeder Wette einen Anteil. Und der war bisher stattlich: Noch Anfang der achtziger Jahre kamen über eine Million Besucher zu den Rennen. 1990 war es gerade noch die Hälfte. Pat O'Dwyer von Bord na gCon führt das auf Auswanderung zurück. Warum ausgerechnet die Windhund-Fans überproportional auswandern sollen, ist allerdings wenig einleuchtend. Die Bevölkerungszahl ist schließlich seit Jahrzehnten konstant. Der Verband hat freilich noch ein paar andere Eisen im Feuer: Der ihm unterstehende Irish Coursing Club (ICC) organisiert die Hundejagd auf lebende Hasen. Jeder Eigentümer, der seinen Kläffer auf die Hasenhatz schicken will, muß Mitglied im ICC sein. Gegner des Blutsports haben vor kurzem eine Parlamentsdebatte erzwungen. Sie behaupten, daß mancher Hase vorschriftswidrig mehrmals am Tag zur Jagd freigegeben werde — es sei denn, er wird gleich beim ersten Mal von der Meute gefangen und zerfetzt. Noch lukrativer als das Hasenkillen ist freilich der Export der Köter. Ein besonders erfolgreicher Windhund bringt bis zu umgerechnet 1.500 Mark ein. Der Verband ist rührend um das Wohlergehen der Hunde besorgt. Inzwischen dürfen keine Tiere mehr nach Spanien exportiert werden, weil sie dort „obszön und schändlich“ behandelt werden. Was die Spanier mit den Hunden treiben, wurde allerdings nicht bekanntgegeben.
Ein besonders windiges Mitglied des Windhund-Verbandes, der ja immerhin die Exportsperre verhängt hatte, nutzte die Gunst der Stunde: Er besorgte sich von Züchtern 35 Hunde und verkaufte sie auf eigene Rechnung nach Spanien. Die irischen Hasen wird's freuen.
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