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Flucht aus Kurdistan

■ Acht Jahre nach Beginn des Guerillakriegs ruft PKK zum Kampf/ Polizei kesselt DemonstrantInnen ein

Ankara/Istanbul (dpa/IPS) — Acht Jahre nach Beginn des Guerillakriegs herrscht explosive Stimmung in türkisch Kurdistan. Gestern umzingelten Polizisten in der Provinzhauptstadt Adana Hunderte von DemonstrantInnen. Sie riegelten das Stadtzentrum mit Barrikaden aus gepanzerten Fahrzeugen ab und holten paramilitärische Truppen zur Verstärkung. In der ganzen Region sowie in den Kurden-Vierteln der großen Städte im Westen der Türkei haben „Sicherheitskräfte“ sogenannte vorbeugende Operationen gestartet und angebliche SeparatistInnen festgenommen, berichteten Zeitungen gestern.

Zugleich nahm die Fluchtbewegung aus türkisch Kurdistan deutlich zu. Zeitungen berichten, daß die Busbahnhöfe voller Menschen seien, die sich in Sicherheit bringen wollten. In Cizre an der irakischen Grenze sollen die meisten Transportunternehmer ihre Lastwagen aus der Stadt gebracht haben. Seit Tagen schon wage es niemand in der Region, trotz der hohen Temperaturen um die 40 Grad wie gewohnt auf den Dächern oder in den Gärten zu schlafen.

Die Kurdische Arbeiterpartei (PKK) hat für heute zu einem Boykott des öffentlichen Lebens und zu Massendemonstrationen aufgerufen. Vor genau acht Jahren, am 15. August 1984, hatte die Organisation zwei Stützpunkte der Militärpolizei in Eruh und Semdinli in den kurdischen Provinzen Siirt und Hakkari überfallen. Ihr seither anhaltender Guerillakampf für einen unabhängigen kurdischen Staat war für die türkischen Behörden ein Schock. Seit der Niederwerfung der Kurden in der Provinz Dersim Ende der 30er Jahre schien ein bewaffneter kurdischer Aufstand gegen die seit 1924 betriebene Zwangstürkisierung ausgeschlossen. Seit 1987 stehen neun kurdische Provinzen mit zusammen 4,5 Millionen EinwohnerInnen unter einem Ausnahmezustandsgouverneur, nachdem in einem Großteil der Region schon seit 1978 Kriegsrecht herrschte. Nach offiziellen Angaben kamen seit 1984 rund 4.500 Menschen ums Leben, darunter zahlreiche ZivilistInnen.

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