Gegen die verantwortungslose grüne Asylpolitik

■ Unbehagen an der nur moralisch sauberen Position zum Artikel 16 GG / Von Zoltan Szankay und Peter Rüdel

Es gibt neben dem Problem der deutschen Einigung kein Feld, auf dem die katastrophalen Folgen einer sturen, verantwortungs-abschiebenden Lagerpolitk offensichtlicher wäre als das der Asyl- und Ausländerpolitik. Es wird heute leider niemand mehr ernsthaft bestreiten, daß in den nächsten Monaten eine Änderung des Artikels 16 im Grundgesetz erfolgen wird. Es ist eigentlich Zeit für alle, eine Bilanz der vergangenen Periode zu ziehen: Was hat die Debatte um die Änderung des Asylrechts den Betroffenen gebracht und welche Auswirkungen hatte sie für den demokratischen Zusammenhalt unserer Gesellschaft?

Noch vor wenigen Jahren konnte der Kerngehalt des Asylrechts im Grundgesetz in einer Weise zur Geltung kommen, die den historischen, politischen und ethischen Sinn, den ihm seine Verfasser im Angesicht der nationalsozialistischen Vergangenheit gegeben haben, weitgehend entsprach. Tausende von direkt politisch Verfolgten (aus Griechenland ebenso wie aus dem Sowjetimperium, aus Chile wie aus einigen afrikanischen Staaten) konnten eher leichter als in den meisten anderen westlichen Ländern Asyl und somit einen gesicherten Daueraufenthalt erhalten, ohne daß dies die Ausgangsbedingungen einer generellen Ausländerpolitik negativ berührt hätte. (...)

Warum die Verschärfung des Asylrechts heute demokratisch gewollt ist

Heute stehen wir vor folgender Situation:

An die 80% der BürgerInnen treten für eine Verschärfung des Asylrechtsartikels im Grundgesetz ein. Die überwiegende Mehrheit jener BürgerInnen, die die demokratischen Institutionen und den Pluralismus der Gesellschaft tragen, wurden zu Befürwortern einer Verfassungsänderung, die noch vor wenigen Jahren für die gleiche Mehrheit undenkbar war. Dies heißt: die Neureglung der Asylrechts ist unabwendbar. Wenn ein Teil der politisch Verantwortlichen, das schließt involvierte Kirchen- und Medienleute ein, in einer als zentral empfundenen Frage gegen die demokratietragende Mehrheit regieren wollen, so geht dies nur über die Infragestellung ihrer eigenen Glaubwürdigkeit (die Rechtswähler sind eine Folge).

Politische Untätigkeit in der Asyl-, Flüchtlings- und Zuwandererfrage, verbunden mit den ständigen Versprechnungen, die Probleme aus der Welt zu schaffen, sowie die ständige öffentliche Verküpfung der Asylfrage mit den allgemeinen Flüchtlings- und Armutproblemen Osteuropas und der „Dritten Welt“ hat zu einer massiven und fatalen Entdifferenzierung der grundsätzlich verschiedenen Kategorien geführt. Dies hat nicht nur dazu geführt, daß die öffentliche Ablehnung gegenüber jenen, die „unbegründete Asylanträge“ stellten, sich in Restriktionen verwandelte, die alle Asylsuchenden trafen und das Grundrecht praktisch schon ausgehöhlt haben. Mit der Entdifferenzierung kam auch die Behandlung der Flüchtlinge (im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention - die Flüchtlinge aus Bosnien baden dies augenblicklich aus) unter Druck, und sie berührt schließlich auch das Schicksal der Millionen von „juristischen Ausländern“. Es steht dabei außer Frage, daß die Chance, deren Schicksal human zu gestalten, von einem breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens gegenüber den Integrationsprozessen abhängt.

Die Niederlage sehen und aus ihr lernen

Die Bilanz ist Ausdruck einer politischen Niederlage. Wir haben alle in den vergangenen Jahren, bei den Grünen, den Sozialdemokraten, der FDP oder im weiteren Umkreis dieser politischen Kräfte, den humanen und politisch sensiblen Umgang mit Asyl-, Flüchtlings- und Ausländerfragen mit der „Unberührbarkeit“ des Artikels 16 verknüpft. Wir könnten jetzt natürlich sagen: die politischen Fakten dieser Bilanz beweisen wieder einmal, daß in Deutschland (oder auch: im Kapitalismus) letztlich immer die „rechten Kräfte“ zum Zuge kommen, ... dies hieße dann auch: Die moralisch betonte Politik der Linken, der Grünen, einem Teil der Kirchen und Medien haben mit diesem Ergebnis nichts zu tun. (...)

Schuldgefühle ersetzen keine Politik

Wir wollen jedoch der obigen Bilanz gegenüber eine andere Antwort geben. Eine, die sich nicht nur an uns selbst richtet, sondern die demokratische Mehrheit in diesem Land anspricht und auch die Teile der CDU, die das, was wir als Niederlage verstehen, nicht als Sieg verbuchen wollen. Diese Antwort muß damit aufhören, die Schuld an der fatalen Entwicklung reflexartig den Anderen zuzuschieben. Die linken, moralisierenden Positionen wollen eine offensichtliche Tatsache tabuisieren, nämlich daß der Artikel 16 teilweise mißbraucht worden ist. So wie die andere Seite es mit den „Angstgefühlen“ tat, wurden hier massiv Schuldgefühle mobilisiert, um praktisch alle Menschen, die aus den verschiedensten Problem- und Notlagen heraus, die Einreise per Artikel 16 versucht haben (und besonders die aus der „Dritten Welt) als letztlich „natürliche Anwärter“ auf den Schutz des Verfassungsartikels zu deklarieren. Nur unter dem Druck von Schuldgefühlen und Schuldzuweisungen konnte die Zwangsphantasie gedeihen, deutsche Gesetzesregelungen als Lösungsinstrumente für Menschheitsprobleme gebrauchen zu können. (...)

Beide Lager verhindern so im Interesse der betroffenen Asylsuchenden, Flüchtlinge und Einwanderungswilligen eine differenzierende Regelung, die Rechtssicherheit für einen wohl quotenverbundenen Flüchtlingsstatus bieten müßte, Einbürgerungsrechte durch ein Einwanderungsgesetz regelt und das individuellen Asylrecht davon trennt.