: Flughafen rund um die Uhr geöffnet
■ Wirtschaftssenator soll generelle Landeerlaubnis über 23 Uhr hinaus erteilen
Der Umgebung des Flughafens Bremen steht neuer Krach ins Haus. Und zwar im wörtlichen Sinne: In einem Schreiben der Flughafen GmbH an den Wirtschaftssenator beantragt das Unternehmen, die Betriebszeiten kräftig auszuweiten. Danach können Flugzeuge künftig sogar rund um die Uhr auf der Piste im Neuenland landen.
Dosenöffner für die Ausweitung des Flugbetriebs ist die Hapag Lloyd AG. Der Charterflug- Veranstalter möchte vom kommenden Sommer an eine Maschine in Bremen stationieren und von hier aus zweimal täglich Richtung Kanaren starten. Dazu muß das Flugzeug die Möglichkeit haben, den Flughafen täglich 17 Stunden zu nutzen, damit der erste Start kurz nach sechs und die letzte Landung gegen 23.00 Uhr erfolgen kann. Nach der bisherigen Regelung (frühester Start 7.30 Uhr, letzte Landung 22.30 Uhr) ist dies nicht möglich.
Doch die vorgesehene Änderung geht sogar über 23.00 Uhr hinaus: „Wir müssen auch die Möglichkeit haben, in Ausnahmefällen später 'reinzukommen“, so Hapag-Lloyd-Pressesprecher Peter Grell. Im Antragsdeutsch liest sich das so: „Landungen nach 23.00 Uhr sind nur noch für solche Luftfahrzeuge zugelassen, die als leise gelten und deren Halter Luftfahrtunternehmen sind, die in Bremen einen Schwerpunkt ihres Wartungsbetriebes haben.“
Mit der Qualifizierung „leises Flugzeug“ will die Flughafen GmbH die Kritiker der Flugzeitausweitung ködern. Denn bislang dürfen ganz offiziell auch extrem laute Flugzeuge bis 22.30 herunterkommen. Für diese Flugzeugtypen soll die zulässige Betriebszeit morgens und abend je eine halbe Stunde eingeschränkt werden. Im Lärm-Mittel, einer rein rechnerischen Durchschnittsgröße, so die Argumentation, werde sich für die AnwohnerInnen dann nichts ändern.
Am Mittwoch wird sich die Fluglärmkommission mit dem Antrag beschäftigen. Zu dieser Sitzung wird sich auch Wirtschaftssenator Claus Jäger einfin
Aus der Traum? Flieger sollen bald rund um die Uhr auf dem Flughafen landen Foto: Archiv
den, der schon zu Oppositionszeiten kräftig für die volle Nutzbarmachung des Flughafens getrommelt hat. Doch Jäger hat mit heftigem Gegenwind zu rechnen. Sowohl in den betroffenen Ortsamtsbereichen Obervieland, Huchting und Neustadt als auch in der Gemeinde Stuhr ist das Grummeln bereits unüberhörbar.
Allzugut erinnert man sich dort noch an die „Salami-Taktik“, mit der vor drei Jahren eine Verlängerung der Startbahn um 600 Meter durchgesetzt wurde. Die Argumentation des Senats ging damals so: Da der Abflug des Transportflugzeuges Super Guppy mit dem Airbusflügel bei jedem Wetter gewährleistet werden müsse, andererseits den Anwohnern die Starts im Morgengrauen nicht zuzumuten seien, müßte die Startbahn verlängert werden.
Jetzt, wo die Startbahnverlängerung durchgesetzt ist, so die Kritik, handele der Senat getreu dem Motto: Was scheert mich mein Geschwätz von gestern. Außerdem wird befürchtet, daß nach Hapag-Lloyd schnell auch weitere Unternehmen wie die Lufthansa nachts in Bremen landen
hier bitte den Flieger
wollen.
Und an die „leisen Flugzeuge“ glaubt auch so recht niemand. „Wie soll das kontrolliert werden“, fragt man sich im fluglärmgeplagten Stuhr. Dort erinnert man sich daran, daß kürzlich eine türkische Maschine weit nach Ende der Betriebszeit mit einem Lärmwert von 102 Dezibel herunterkam, übrigens nur eine von 108 Ausnahmen vom Nachtflugverbot an 110 Betriebstagen des letzten Berichtszeitraumes der Fluglärmkommission.
Und auch sonst ist die Lärmsituation nicht so, daß Wirtschaftssenator Jäger auf offene Ohren hoffen darf. Im jüngsten Bericht des Lärmschutzbeauftragten vom 10. August heißt es unter anderem: „Im Berichtszeitraum (1. 5.-31.7) gingen 21 schriftliche und 242 mündliche Anfragen beziehungsweise Beschwerden ein.“ Statt der angestrebten 55 Dezibel wurden in der Schwäbisch Hall-Siedlung 85 dB „Dauerschallpegel“ gemessen. Ein Grund: Die Fluggesellschaften lassen in den frühen Morgenstunden und am abend die Triebwerke im lautstarken Probebetrieb lau
Ansicht, daß viele Flugzeuge nicht die verabredeten Anflugrouten einhalten. Und: „Zugenommen haben auch die Beschwerden gegen die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen von der Nachtflugbeschränkung. Besonders wird bemängelt, daß in den späten Abendstunden sehr laute Flugzeuge fliegen.“
Wenn Jäger sich gegen Fluglärmkommission, Beiräte und AnwohnerInnen durchsetzt, wird sich möglicherweise auch der Senat mit dem Thema beschäftigen müssen, vorausgetzt der Vorgesetzte des Fluglärmbeauftragten, der Umweltsenator Ralf Fücks, fühlt sich noch an frühere Beschlüsse des Senats gebunden. Im Zusammenhang mit der Verlängerung der Startbahn hatte die besondere Schutzwürdigkeit der Nachtruhe zweimal Eingang in Senatsbeschlüsse gefunden.
ie Flughafen GmbH sucht dagegen die schnelle Entscheidung: Sie hat bereits beantragt, daß mit der Entscheidung des Wirtschaftssenators gleich die „sofortige Vollziehbarkeit“ beschlosssen wird. Klartext: Bevor die Anwohner gegen die Entscheidung klagen können, sollen bereits vollendete Tatsachen geschaffen werden. Holger Bruns-östers
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen