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Heimat, ausgestellt

■ Das Schönebecker Heimatmuseum: eine Idylle / Schiffahrt, Fischfang und Wohnkultur, in Nord

Das Heimatmuseum: Es heißt Schönebecker Schloß und liegt verwunschen wie das von Dornröschen, aber es ist eigentlich ein prächtiges Herrenhaus aus Fachwerk und tut, wozu sein Name verpflichtet: es rührt an.

Heimat zeigen, das heißt aber nicht, ein paar Webstühle und Spindeln und Küchen-Geräte zusammenzusammeln, findet der Leiter des Hauses, Horst Gnettner: „Wir wollen Tradition zeigen, und zwar mit Schwerpunkten, wie sie hier in der Region wichtig waren.“ Und weil Vegesack, das kleine Nest mit Kirche und paar Häusern, 1623 den ältesten künstlichen Seehafen in Deutschland gründete, sind eben mit besonderer Liebe Objekte der Schiffahrt und Fischerei ausgestellt. Für KennerInnen werden schon die Zwei- und Dreimaster, in ihren Glaskästen wahre Augenweiden sein. Richtig zum Anfassen ist der „Walfang“, der im großen Stil von der Unterweser aus betrieben wurde. Haushoch die Unterkieferknochen der Wale, armlang die Speckmesser, mannshoch die Harpunen, fein eingeölt. Und weder wird die „rücksichtslose Jagd“ auf die großen Säugetiere verschwiegen noch die „Robbenknüppel“ versteckt, mit denen die Seehundbabies totgeschlagen wurden.

Heringsfang hat Tradition mit der „Bremen-Vegesacker-Fischerei-Gesellschaft“, unter den Nationalsozialisten gab es in Vegesack gar die größte Herings- Flotte des Kontinents. Und ein kleiner Schwarm Heringe schwimmt unter der Decke auf die Museumswand zu, gerade in ein Netz hinein. In den kleinen Räumen sind zum Glück nicht zu viele Gegenstände untergebracht; eine sparsame Reihe Fotos vom Arbeitsalltag zeigen, wie Netze ausgelegt, Fische hochgezogen, gesalzen, in Fässer gesteckt werden. Solche Fässer stehen hier, und es riecht eindeutig oder suggestiv nach Fisch und nach Teer. Unbedingt hinzuweisen ist auf das bescheidene Höckerchen einer Netzstrickerin, mit einem Fach darin, da liegen wohlverwahrt nicht nur Garn und Spulen und Messer, sondern auch das Pergamentpäckchen mit den Butterbrot, ein rotes Gummiband drumrum. Man muß hinfahren und hingucken: die Bootsbau- Werkstatt mit den schönen Werkzeugen, die feinen nautischen Instrumente, die Mitbringsel der Seeleute aus den fernen Ländern.

Unten sind Zimmer des vorigen Jahrhunderts eingerichtet: eine gute Stube, wie ein Vegesacker Kapitän sie sich geleistet hätte, die bäuerliche Küche mit Spül-Stein, die Schlafbutzen. In der Schloßküche im Kellergewölbe wartet der gewaltige Kamin, der Hänsel-und-Gretel-Backofen, das Päckchen „Sil“ neben den drei hölzernen Wäschemangeln.

Kaum zu glauben: Außer dem Hausmeister arbeiten alle Menschen hier ehrenamtlich, Horst Gnettner kommt dabei gut auf 40 Stunden die Woche. Der Museums-Verein, 1.300 Mitglieder, muß für das Haus Miete zahlen und sich mit Sonderausstellungen und Schloßkonzerten selbst über Wasser halten. Müde 76.000 Mark Zuschuß hat es letztes Jahr von der Stadt gegeben. Aber gejammert wird nicht: „Wir sind stolz, daß wir es so schaffen“, sagt Gnettner. In Bremen steht die große Schwester, das Landesmuseum, überschneidet sich da nicht vieles, wäre da nicht Kooperation denkbar? Ach, Bremen! „Die Lesum ist die Grenze“, sagt Gnettner, was jenseits passiert, berührt kaum einen Bremen-Norder, das beißt sich nicht!“ Ja: Man leiht sich schon mal gegenseitig Geschirr oder Spielzeug für eine Ausstellung. Aber für Kooperation fehlt es an Kapazitäten, denn „die sind staatlich, wir sind privat“. Wo künftig mal engagierter und kenntnisreicher, aber ehrenamtlicher Nachwuchs herkomen soll, ist völlig ungewiß, und das ist auch Gnettners große Sorge. Heimat sammeln und ausstellen: Er, der gelernte Heimatkunde- Lehrer, ist seit 30 Jahren dabei, eigentlich aber schon immer: „Welcher Junge sammelt nicht?“ S.P.

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