: »Eine politische Lösung muß her«
■ 163 bosnische Flüchtlinge sitzen an der böhmisch-sächsischen Grenze fest, weil die Kostenübernahme ungeklärt ist/ Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg zur Unterbringung und Erstversorgung bereit
Berlin. Seit über einer Woche wird einer Gruppe von 163 bosnischen Flüchtlingen die Einreise nach Deutschland verwehrt, obwohl sich die evangelische Kirche Berlin- Brandenburg längst zur Aufnahme bereit erklärt hat. Sämtliche Bemühungen der Kirche, den Berliner Senat zu einer politischen Lösung zu bewegen, scheiterten bislang jedoch kläglich. Dem Probst der evangelischen Kirche Karl-Heinrich Lüdcke gelang es trotz unzähliger Versuche bis gestern noch nicht einmal, mit der zuständigen Sozialsenatorin Ingrid Stahmer (SPD) einen Gesprächstermin zu vereinbaren.
Die Kreuzberger Heilig-Kreuz Gemeinde war bereits vor einer Woche darüber informiert worden, daß die bosnischen Flüchtlinge an der böhmisch-sächsischen Grenze festsitzen. Die Gemeinde entsandte sofort einige Mitarbeiter mit einer Einladung für die Flüchtlinge. Bislang gelang es jedoch lediglich, 19 Männer, Frauen und Kinder nach Berlin zu holen.
Bei den übrigen scheiterte die Einreise an der Frage der Kostenübernahme. Hintergrund ist, daß die Bundesregierung und der Berliner Senat bei sogenannten »Nicht-Kontingent- Flüchtlingen« auf die strikte Einhaltung des Paragraphen 84 des Ausländergesetzes bestehen: Privateinreisende Flüchtlinge erhalten nur dann ein Visum, wenn sich der Einladende zur Übernahme der Lebenshaltungs- und Krankenkassenkosten bereit erklärt hat. Einzig Nordrhein-Westfalen macht hier eine löbliche Ausnahme, indem es die Kosten der privat untergebrachten Flüchtlinge aus der Landeskasse bezahlt.
Bei den 19 Flüchtlingen hatte sich die Heilig-Kreuz Gemeinde zur Kostenübernahme bereit erklärt. Selbst die Krankenkosten bestreitet die Kirche aus eigenen Mitteln, weil inzwischen keine Krankenkasse mehr zur Versicherung bosnischer Flüchtlinge bereit ist. Bei den übrigen 163 Flüchtlingen sieht sich die Kirche jedoch außerstande für alle Kosten aufzukommen. »Die evangelische Kirche Berlin-Brandenburg und das Diakonische Werk würden aber für die Unterbringung in kirchlichen Einrichtungen und die Erstversorgung sorgen«, versicherte gestern der Pfarrer der Heilig-Kreuz Gemeinde, Jürgen Quandt.
Ebenso wie Quandt ist auch der Probst der evangelischen Kirche Karl-Heinrich Lüdcke der Auffassung, daß das Problem politisch gelöst werden müsse. Dabei gibt es nur zwei Möglichkeiten. Entweder der Berliner Senat und das Land Brandenburg erklären sich wie Nordrhein-Westfalen zur Übernahme der Kosten bereit, oder sie ermöglichen die Einreise ohne die Vorbedingung der Kostenübernahme. »Letzteres« so Pfarrer Quandt, »birgt natürlich ein großes Risko, weil damit die Frage offenbleibt, wer im Krankheitsfall der Flüchtlinge zahlt.« plu
Siehe auch Bericht auf Seite 5
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