Von Hoyerswerda bis Rostock

■ Die Chronik der Gewalt und des Rassismus im wiedervereinten Deutschland

Eine blutige Spur von Haß und Gewalt gegen Fremde zieht sich durch die gerade zweijährige Geschichte des vereinigten Deutschlands. 1991 wurden 1.483 rechtsextreme Gewalttaten registriert, fünfeinhalbmal soviel wie 1990.

November 1990 — Etwa 50 Skinheads greifen mehrere Afrikaner in einer Diskothek in Eberswalde-Finow an. Der Angolaner Amadeu Antonio Kiowa stirbt. Die Verantwortlichen stehen zur Zeit vor Gericht. Der bisher flüchtige Hauptangeklagte konnte am Montag in Stuttgart festgenommen werden.

Februar 1991 — Jugendliche Randalierer liefern sich in mehreren ostdeutschen Städten blutige Schlägereien nach Fußballspielen.

März 1991 — Der Mosambikaner Jorge Gomodai wird am Ostersamstag in Dresden von Skinheads aus einer fahrenden Straßenbahn geworfen und stirbt.

April 1991 — Asylbewerber fliehen nach gewalttätigen Ausschreitungen aus mehreren ostdeutschen Aufnahmelagern nach Schwalbach in Hessen.

Mai 1991 — Acht Jugendliche überfallen in Zittau ein Ferienheim, in dem strahlengeschädigte Kinder aus Tschernobyl untergebracht sind. Die Rassisten werden im November zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt. Ebenfalls im Mai 1991 stürmen 15 Jugendliche im brandenburgischen Wittenberge die Wohnungen von Namibiern, zwei junge Namibier stürzen aus dem vierten Stockwerk vom Balkon.

Juni 1991 — Die rechtsradikale Szene Dresdens mit etwa 350 Mann liefert sich Straßenschlachten mit Zuhältern. Neonaziführer Rainer Sonntag wird erschossen.

Juli 1991 — 50 Skinheads überfallen ein Asylbewerberheim in Magdeburg. Ein Araber wird schwer verletzt.

August 1991 — Brandanschlag auf das Asylbewerberheim Aschersleben bei Magdeburg. Rumänische Asylbewerber müssen evakuiert werden. Erneut kommt es zu Angriffen auf ein Heim in Zittau.

September 1991 — Das Ausländerwohnheim von Hoyerswerda ist tagelang Ziel beispielloser rechtsradikaler Angriffe. Skinheads und Neonazis liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. Erstmals wird auch unverhohlene Sympathie der Anwohner für die rechtsextremen Randalierer deutlich. Nach einer Serie von rechtsradikalen Übergriffen auf zahlreiche Ausländerunterkünfte in Westfalen, Sachsen, Thüringen und Brandenburg flüchten die Bewohner nach Berlin und Hannover.

Oktober 1991 — Am Jahrestag der deutschen Einheit schlagen Rechtsradikale in zahlreichen Gemeinden West- und Ostdeutschlands wieder zu. Im niederrheinischen Hünxe werden vier libanesische Flüchtlingskinder bei Brandanschlägen schwer verletzt. Im badischen Brühl greifen Skinheads auf einem Volksfest Nigerianer an und verletzten einen schwer. In Gotha werden vier sowjetische Soldaten überwältigt und aus dem Fenster einer Wohnung geworfen.

November 1991 — 200 Berliner Hooligans randalieren nach einem Fußballspiel in Greifswald und greifen ein Asylbewerberheim an. 35 Menschen werden zum Teil schwer verletzt. Die Asylbewerber fliehen nach Hamburg in eine Kirchengemeinde. Drei Jugendliche schießen in Weimar aus einer Wohnung heraus auf einen Mosambikaner und verletzen ihn. In Leipzig werden zwei vietnamesische Familien in ihren Wohnungen überfallen und brutal mißhandelt.

Januar 1992 — In Haldensleben bei Magdeburg beschießen Unbekannte in der Silvesternacht ein Asylbewerberheim. In mehreren thüringischen Städten überfallen Skinheads verschiedene Jugendklubs. Ein abgelehnter somalischer Asylbewerber erhängt sich in Schleswig.

Mai 1992 — Skinheads schlagen in Berlin einen Schwarzen krankenhausreif. In Magdeburg überfallen Rechtsradikale eine Geburtstagsfeier und verletzten fünf Menschen. Ein junger Mann erliegt seinen Verletzungen.

Juni 1992 — Nach einer Veranstaltung der rechtsextremen DVU in Rostock liefern sich Skinheads und linke Demonstranten eine Straßenschlacht.

August 1992 — In Brandenburg werden mehrere Asylbewerberheime sowie Zeltplätze von Sinti und Roma überfallen. ap/taz