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Gutachter: Tram in Friedrichstraße sinnvoll

■ Prognostizierte Fahrgastströme sind laut ivu-Untersuchung nicht mit U-Bahn und Bussen allein zu bewältigen/ Verkehrsverwaltung zweifelt die Zahlen an, obwohl sie das Gutachten in Auftrag gab

Berlin. Verkehrssenator Haase (CDU) wird es fürderhin noch schwerer haben, seine Entscheidungen gegen eine attraktive Straßenbahn in der Investoren-Meile Friedrichstraße zu begründen. So kamen von seiner Verwaltung beauftragte Gutachter wie zuvor die BVG zu dem Schluß, daß eine Tramstrecke in der Friedrichstraße aus verkehrlicher Sicht »sinnvoll« sei. Die bisher unter Verschluß gehaltene Untersuchung der Berliner Gesellschaft für Informationsverarbeitung, Verkehrsberatung und Unternehmensforschung (ivu) wurde gestern vom verkehrspolitischen Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Grüne, Michael Cramer, präsentiert. Eine Tramverbindung im Bereich Friedrichstraße erfülle verschiedene verkehrliche Funktionen, lautet zusammengefaßt das Ergebnis der ivu-Experten.

Die Tram gewährleistet nach ihrer Auffassung den Zubringerverkehr zu den Schnellbahnlinien und Fernbahnhöfen der Eisenbahn, stellt Direktverbindungen in den Nordosten der Stadt (Prenzlauer Berg, Pankow) her und ist für den Kurzstreckenverkehr im Bereich der Friedrichstraße und zum Regierungsviertel beziehungsweise Potsdamer Platz unverzichtbar. Eine Straßenbahnverbindung in der Friedrichstraße, der »Hauptachse eines attraktiven Citybereiches«, könne die U-Bahn-Linie 6 im Innenstadtbereich entlasten und damit die Attraktivität des BVG-Oberflächenangebots erhöhen, heißt es. Die Haase-Gutachter gehen davon aus, daß im Gebiet Friedrichstraße künftig 315.000 Fahrgäste täglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen werden. Voraussetzung: Der Senat hält, was er versprochen hat, und steigert in der Innenstadt den Anteil der BVG-Verkehrsmittel gegenüber dem Autoverkehr auf 80 Prozent. Der Strom von Fahrgästen in dieser Größenordnung ist den Untersuchungen zufolge weder mit der U-Bahn noch mit Bussen zu bewältigen. Bei einem Zweieinhalb-Minuten-Takt kann die U-Bahn so in Spitzenzeiten stündlich maximal 13.600 Fahrgäste wegschaffen. Fazit des AL-Verkehrsexperten Michael Cramer: Da die Straßenbahn im Gegensatz zur U-Bahn auf Sicht fahren könne und deshalb ein 50-Sekunden- Takt möglich sei, würden sich für die Tram weitere Reserven von 7.000 Fahrgästen pro Stunde ergeben.

Vertreter der Verkehrsverwaltung zweifelten dagegen in einer sogenannten Steuerungsrunde zur Gestaltung der Friedrichstraße die Prognosen an. Nach Verlängerung der U-Bahnsteige der Linie 6 könne die U-Bahn im wesentlichen Ersatz für die Tram bieten, wurde argumentiert. Anstelle der Tram sollten Buslinien eingerichtet werden. Wie die Baustadträtin von Mitte, Dorothee Dubrau, ausführte, wollten auch verschiedene Investoren gemeinsam mit dem Bezirk für die Beibehaltung der Straßenbahn »kämpfen«. thok

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